Rom, 12. Januar 2023 – Im Rahmen eines Vorbereitungstreffens für die bevorstehende Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes 2023 haben rund 80 Delegierte das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau besucht.
„In der Erinnerung“, so Ralf Meister, lutherischer Bischof und Präsident der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in Deutschland, „geben wir den Toten die Würde wieder, die ihnen unsere Vorväter und -mütter genommen haben.“
So haben leitende evangelische Bischöfe mit einer Kranzniederlegung an der Todesmauer der Opfer des Holocausts gedacht. An dieser Mauer zwischen den Blöcken 10 und 11, die mit schwarzen Isolierplatten verkleidet war, wurden von den Nazis summarische Hinrichtungen vorgenommen.
Die deutschen Verbrechen des 20. Jahrhunderts dürften nicht in Vergessenheit geraten, mahnte Bischöfin Kühnbaum-Schmidt. „Wir müssen uns damit auseinandersetzen, wie es zu diesen Verbrechen kommen konnte, auch um unserer Gegenwart und Zukunft willen”.
Das Vorbereitungstreffen für die nächste Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes wurde vom Deutschen Nationalkomitee des LWB in Zusammenarbeit mit der EAKP organisiert.
Unter anderem diskutierten die Delegierten über das Verhältnis zwischen Christen und Juden nach dem Holocaust, auch wegen der Nähe zum ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz. In dem Vernichtungslager ermordete die SS zwischen 1940 und 1945 mindestens 1,1 Millionen Menschen, davon etwa eine Million Juden.
Aber nicht nur. Zu den Deportierten und Verfolgten gehörten ebenso Sinti, Roma, religiöse Minderheiten sowie politische und militärische Gefangene.
„Auschwitz bleibt uns anvertraut“, so Meister weiter, “als Nachfahren der damaligen Täter dürfen die Deutschen über die an diesem Ort verübten Verbrechen nicht schweigen.“
Christen müssten in Auschwitz erschüttert feststellen, „dass der christliche Glaube diese Verbrechen nicht verhindern konnte“, sagte Meister weiter.
„Mehr noch: Kirchen und ihre Mitglieder haben an diesen Verbrechen mitgewirkt, Judenhass und Menschenverachtung unterstützt, Nächstenliebe und Gefühl außer Kraft gesetzt und damit Schuld auf sich geladen.“
Zu der Delegation gehörte auch der Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Friedrich Kramer, mit dem Meister auf dem Gelände des Lagers Auschwitz II eine kurze Andacht hielt.
Meister zitierte den Schriftsteller Imre Kertész, einen Überlebenden der Shoah, mit den Worten: „Das wirklich Irrationale und tatsächlich Unerklärbare ist nicht das Böse. Im Gegenteil, es ist das Gute.“1
Die nächste LWB-Vollversammlung findet vom 13. bis 19. September 2023 in Krakau statt. Es werden etwa 350 Teilnehmende aus lutherischen Kirchen in aller Welt erwartet.
Quellen
- https://www.velkd.de/presse/archiv-2023.php
- https://www.evangelisch.de/inhalte/210632/11-01-2023/diesen-verbrechen-mitgewirkt-bischoefe-legen-kranz-auschwitz-nieder
Hinweis
- Kaddisch für ein nicht geborenes Kind, Imre Kertész, Rowohlt Berlin, Berlin 1992.