122 Mal kommt diese Aufforderung in der Lutherbibel vor: „Fürchte dich nicht!“ oder „Fürchtet euch nicht!“ Angst ist ein schlechter Berater, sagt man. Trotzdem ist dieser schlechte Berater überall zugegen – in der Politik, im Berufsleben, im Privatleben und auch in unseren Gemeinden. Eigentlich hat Gott uns einen besseren Berater gegeben: Seinen Geist. Von dem heißt es in 2 Tim 1,7:
„Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“
Der Geist der Kraft
Gott schenkt uns die Kraft, die wir brauchen, um unser Leben mit seinen Herausforderungen zu bewältigen. Aber er schenkt sie uns nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf seine große Barmherzigkeit verlassen, wie Dietrich Bonhoeffer in seinem Glaubensbekenntnis anmerkt (Dietrich Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung). Manchmal machen wir uns verrückt mit Dingen, die einfach noch nicht dran sind, und meinen, wir müssten jetzt schon die Kraft verspüren, die wir brauchen, um ein bestimmtes Ereignis in zwei Monaten zu wuppen. Nicht nötig. Kommt Zeit, kommt Kraft von Gott.
Der Geist der Liebe
Da, wo Menschen liebevoll miteinander umgehen, kann die Angst Konkurs anmelden. Ein Großteil der Ängste, die Menschen quälen, ist die Angst vor anderen. Vor ihren verächtlichen Blicken, ihren harten Urteilen, vor ihren hohen Erwartungen, ihren spitzen Zungen. Was wäre das schön, wenn an der Schule, am Arbeitsplatz, in unseren Gemeinden ein Klima herrschen würde, in dem keiner mehr vor jemand anderem Angst haben muss! Wo Menschen liebevoll miteinander umgehen, ist das so. Wenn wir dem Geist der Liebe Raum geben in unserem Umgang mit anderen, braucht sich niemand vor uns zu fürchten. Was nicht heißt, dass niemand mehr Respekt vor uns hat. Vielleicht ist genau diese Sorge der Grund, warum so viele Menschen mit Liebe und Wertschätzung geizen: Weil sie Angst haben, dass sie dann nicht mehr für voll genommen werden. Aber was ist das für ein „Respekt“, der auf Angst fußt?! Mit Wertschätzung hat das nichts zu tun.
Der Geist der Besonnenheit
Viel Angst wäre vermeidbar, wenn wir in unserem Handeln mehr Besonnenheit an den Tag legen würden. Erst Hirn einschalten, dann handeln oder den Mund aufmachen. Und nicht umgekehrt. Das würde uns eine Menge Ärger und Konflikte ersparen, die das Potenzial haben, Furcht erregende Ausmaße zu bekommen. Besonnenheit bewahrt davor, dass uns Dinge um die Ohren fliegen, die vermeidbar sind.
Gott hat uns gut ausgestattet. Wann immer uns die Angst beschleicht, ruft Er uns Sein „Fürchte dich nicht!“ zu um uns daran zu erinnern, dass Er uns nicht den Geist der Furcht gegeben hat, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.
Timm Harder, Pfarrer der Evangelischen Gemeinde Meran