„Hat es da etwa gerade geklingelt?“ Halb erschrocken, halb genervt schaute sie ihre Schwester an. „Ja, irgendwas habe ich auch gehört!“ „Oh nein, nicht jetzt!“ Sie zog sich das Handtuch vor die Brust, als wäre der ungebetene Gast schon im Haus. „Ich bin noch nicht fertig. Außerdem hatte ich mich auf ein ruhiges Frühstück gefreut! Das ist bestimmt wieder nur einer von diesen nervigen Vertretern. „Wir haben nichts gehört!“ schlug die Schwester vor. Von der Vorstellung, nun die Tür zu öffnen, war sie auch nicht sonderlich begeistert.
Es klingelte ein zweites Mal. Stille. Dann startete vor dem Haus ein Auto. Vorsichtig schob sie den Vorhang zur Seite und schaute hinaus. „Stuttgarter Kennzeichen – mmh.“ Mit einem Schlag durchzuckte es sie: Mensch, das war der Philipp!“ „Was?“ fragte die Schwester. „Der gut aussehende Typ vom letzten Fasching?“ „Ja! So ein Mist!!“ „Hast Du seine Handynummer??“ „Ja, ich glaub’ schon.“ „Dann los! Ruf – ihn – an!!!“
Schnell das Handy geschnappt, Nummer gesucht, angeklickt. Freizeichen. Dreimal, viermal, fünfmal. Es kommt ihr vor wie eine Ewigkeit. Dann endlich: „Ja bitte?“ „Hast Du gerade bei uns geklingelt?“ „Ja. Ich wollte Dich einfach mal besuchen.“ „Tut mir leid, ich war gerade unter der Dusche. Aber wenn Du Lust hast, dann komm doch zum Frühstück vorbei!“
Dieses Frühstück wurde das längste ihres Lebens. Es ging nahtlos ins Mittag- und Abendessen über und zog sich bis tief in die Nacht. Mittlerweile sind die beiden über 19 Jahre zusammen. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn sie die Tür nicht schließlich doch noch geöffnet hätte…
„Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an.
Wenn jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun,
zu dem werde ich hinein gehen und das Abendmahl
mit ihm halten und er mit mir“
sagt Jesus in Offenbarung 3,20
Advent. Da kommt einer an und steht vor der Tür. Aufdringlich ist er nicht. Er klopft. Man kann ihn überhören, man kann ihn stehen lassen. Aber er möchte hinein. Möchte mit uns feiern. „Abendmahl“ – das ist die Chiffre für das Fest, das Gott mit uns feiern möchte, auch dann noch und dann erst recht, wenn für uns hier auf der Erde der Vorhang fällt. Ein Fest ohne Ende.
Wenn wir Ihn herein lassen, wird es das längste Fest unseres Lebens. Hoffentlich überhören wir ihn nicht. Denn es könnte die wichtigste Beziehung unseres Lebens werden. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine besinnliche Adventszeit!
Ihr
Timm Harder,
Pfarrer der Evangelischen Gemeinde Meran
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