epd/LWF – Vor 500 Jahren wurden in Deutschland die ersten evangelischen Gesangbücher gedruckt, Tausende Ausgaben sollten folgten. Im Laufe der Zeit wurde ein Schatz von immenser Bedeutung für den Glauben und die Kultur geschaffen.
Vor 500 Jahren begann mit den ersten gedruckten Exemplaren die einzigartige Geschichte des evangelischen Gesangbuchs. Es war ein grundlegender Ausdruck des Protestantismus und seiner Frömmigkeit – regional und international. Darüber hinaus aber ist es ein Liederbuch, das die deutsche Sprache, Literatur und Musik über Jahrhunderte stark beeinflusst hat.
1524 erschien das „Erfurter Färbefass Enchiridion“. Davon gibt es heute weltweit nur noch ein Exemplar. Es wird in Goslar, Deutschland, aufbewahrt.
„Mit der Erstausgabe des Liederbuchs von 1524 hat sich in den Gottesdiensten der Wechsel vom Vorsingen zum Mitsingen vollzogen“, so der Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Friedrich Kramer. Aus Mitteldeutschland sei maßgeblich die Idee in die Welt gegangen, den Glauben singend zu verbreiten.
Das Jubiläum „500 Jahre Gesangbuch“ werde daher deutschlandweit mit einem umfangreichen Programm gefeiert. Erfurt, die Stadt in der Martin Luther einst studierte, begehe die 500. Jubiläumsfeier des in der Stadt erstmals erschienenen Enchiridion (altgriechisch für Handbüchlein) am Reformationstag mit einem Kantaten-Gottesdienst in der Augustinerkirche.
Choräle als “Psalmen für das Volk”
Diese ersten Gesangbücher sind Zeugnis der ersten Lieder des Reformators Martin Luther. Einige der darin enthaltenen Musikstücke, wie das Osterlied „Christ ist erstanden“, werden auch heute nach 500 Jahren noch in Gottesdiensten gesungen.
Bis zur Reformation sangen die Gemeinden während des Gottesdienstes keine geistlichen Lieder in der Volkssprache. Zwar gab es schon im Mittelalter volkstümliche „Cantiones“ (Gesänge). In der katholischen Messe war das Singen der lateinischen Liturgie jedoch den Priestern vorbehalten. Dies sollte sich grundlegend ändern.
Wer die frohe Botschaft des Evangeliums glaubt, „der kans nicht lassen, er muß fröhlich und mit Lust davon singen und sagen, dass es andere auch hören und herkomen“, war Luther überzeugt. Für ihn war das Singen ein frommer Weg zu Gott.
Programmatisch schrieb er um 1523/24 an Georg Spalatin, den Sekretär des sächsischen Kurfürsten Friedrich dem Weisen: Er, Luther, habe den Plan, nach dem Beispiel der Propheten „deutsche Psalmen für das Volk zu schaffen, das heißt, geistliche Lieder, damit das Wort Gottes auch durch den Gesang unter den Leuten bleibt.“
Von Anfang an waren in den Drucken Melodien verzeichnet. Das gilt auch für das „Achtliederbuch“, das der Nürnberger Drucker Jobst Gutknecht um die Jahreswende 1523/24 herausgab. Das Büchlein enthielt bereits vier Lieder von Martin Luther (1483-1526), darunter die Nachdichtung des 130. Psalms „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“. Kurz darauf kam in Erfurt das „Enchiridion“ heraus. Und noch im selben Jahr erschien in Wittenberg das „Geistliche Gesangsbüchlein“ des Kantors Johann Walter mit 43 Liedern nebst Vorwort des Reformators. Es gilt als erstes Chorgesangbuch.
Seine Blütezeit erlebte das Gesangbuch in der Barockzeit. Der Dichter Paul Gerhardt spendete mit Liedern wie „Befiehl Du Deine Wege“ und „Geh aus mein Herz“ angesichts von Entbehrungen und Grauen im 30-jährigen Krieg (1618-1648) Trost und Hoffnung. Die Tradition der Trostlieder setzte sich über die Pietisten und ihre Jesus-Lieder fort bis zu Dietrich Bonhoeffers in Gestapo-Haft verfasstes Gedicht „Von guten Mächten wunderbar geborgen“.
Aktuell ist auch eine Sonderbriefmarke dem Thema „500 Jahre Evangelisches Gesangbuch“ gewidmet. Sie wurde der Öffentlichkeit am 23. Januar mit einem Festakt in der Marktkirche in Goslar vorgestellt.
Quelle Quelle: epd - LWB/A. Weyermüller