Spätherbst und bevorstehender Winter haben den Eifer der Lutheraner in Venedig nicht abgekühlt. Obwohl die Pfarrstelle bis heute unbesetzt ist, hat die Gemeinde alles andere als Däumchen gedreht.
Die Gemeinde Venedig ist die älteste lutherische Gemeinde Italiens und überhaupt eine der ältesten außerhalb Deutschlands.
Martin Luther selbst bezeugte ihre Existenz in einigen Briefen, die er zwischen 1543 und 1544 an die Evangelischen in Venedig und Venetien schrieb. Darin zeigte er sich ernsthaft besorgt über die Verfolgungen, denen Sympathisanten der Reformation ausgesetzt waren.
Die strategische Lage der Lagunenstadt und der florierende Handel, der sie zu einem der wichtigsten Durchgangszentren Europas machte, führten dazu, dass sich seit dem Mittelalter zahlreiche deutsche Familien dort niederließen.
Aus diesem Grund war die Geschichte der im „Fondaco dei Tedeschi“, dem deutschen Handelshaus, versammelten deutschen Kaufleute eng mit der wechselvollen Geschichte der Gemeinde verknüpft.
Und während bei den Deutschen als wichtigen Handelspartnern Toleranz aus Interesse praktiziert wurde, endeten nicht wenige der italienischen Sympathisanten der Reformation in den Kerkern der Inquisition oder auf dem Grund der Lagunengewässer.
Vor wenigen Tagen wurde der neue Gemeindebrief veröffentlicht und versandt, ein aufschlussreiches Zeugnis für die freudige Stimmung, die in der Gemeinde herrscht.
Neben Berichten über Aktivitäten und das Gemeindeleben mit Hochzeiten, Reisen, Geburtstagen, Geburten, Gottesdiensten und vielem mehr, verdient die bevorstehende Digitalisierung des wertvollen historischen Archivs der Kirche besondere Aufmerksamkeit.
Die Kirche, in der die lutherische Gemeinde von Venedig ihren Sitz hat, ist nämlich ein wunderschönes historisches Gebäude, das häufig von Schulklassen und Touristen besucht wird: Das ehemalige Oratorium „Zum Heiligen Schutzengel“ (Scuola dell’Angelo Custode) am Campo Santi Apostoli im Stadtteil Cannaregio (Venedig, Standort hier).
Ebenso wichtig ist die territoriale Zusammenarbeit, wie zum Beispiel mit dem Unesco-Club, der in den vergangenen Wochen
das Buch „Quarantena“ über die dunklen Monate des Covid-19 in den Räumlichkeiten der Kirche vorgestellt hat.
Aber es gibt Traditionen, die nicht nur von der Fähigkeit dieser Gemeinde zeugen, Erinnerungen zu pflegen, sondern auch von ihrem Engagement, die Spuren der evangelischen Präsenz in diesem Gebiet zu bewahren. Wie zum Beispiel der Besuch der unbekannten und zum großen Teil vergessenen Toten auf dem evangelischen Teil des Friedhofs San Michele. Mit Geschichten, Anekdoten und Informationen über die dort begrabenen Menschen will man ein kollektives Gedächtnis der Protestanten schaffen, die in diesem Gebiet gelebt und gearbeitet haben.
Weitere Beispiele für die zahlreichen Aktivitäten der Gemeinde sind der bevorstehende Basar zur Adventszeit in der Kirche oder die Konzerte mit geistlicher Musik, die von Zeit zu Zeit in der Stadt angeboten werden.