Rom, 1. Oktober 2024 – Städte sind Orte, in denen die Durchschnittstemperatur in der Regel höher liegt als in den umliegenden ländlichen Gebieten. Diese „städtischen Wärmeinseln“ (urban heat islands) sind ein komplexes mikroklimatisches Phänomen, zu dem mehrere Faktoren beitragen [1]. Es ist wichtig, dauerhafte und nachhaltige Lösungen zu finden, um die Hitze, die unsere Städte in den Sommermonaten unerträglich macht, zu verringern.
In Neapel wurde vor einigen Jahren ein ökologisches und multidisziplinäres Projekt namens COOL CITY ins Leben gerufen. Architekten, Stadtplaner, Ingenieure, Geologen, Archäologen, Biologen und andere Experten haben sich zusammengetan, um eine spezifische Lösung für die besonderen Merkmale der Stadt Neapel zu finden. Ziel ist es, durch eine ehrgeizige Stadterneuerungsinitiative auf das Mikroklima einzuwirken und Neapel widerstandsfähiger gegen den fortschreitenden Klimawandel zu machen.
Neapel hat weniger als eine Million Einwohner, ist dicht besiedelt und bildet das Zentrum der gleichnamigen Metropole, die mit drei Millionen Einwohnern die drittgrößte Italiens ist. Sie liegt inmitten zweier Vulkankomplexe, dem Vesuv und den Flegräischen Feldern. Die Stadt ist auf einer mächtigen Schicht aus vulkanischem Tuff erbaut. Der Untergrund dient seit der Gründung der Stadt als Steinbruch um Baumaterial zu gewinnen. Die riesigen Hohlräume, die durch diesen Abbau entstanden sind, wurden u.a. als Zisternen genutzt, die wiederum durch ein Netz von unterirdischen Kanälen miteinander verbunden sind. Schon die Griechen, die die Stadt gründeten, leiteten eine Süßwasserquelle des Vesuvs in die Stadt um Wasser im Überfluss zu haben. Im Laufe der Jahrhunderte vergrò’erte sich die Stadt und es mussten weitere unterirdische Kanäle für die Trinkwasserversorgung angelegt werden. Dank dieses natürlichen Wasserreichtums ist Neapel seit jeher reich an Brunnen gewesen. Dann wurden dieses Wassersystem zugunsten eines modernen Wassernetzes aufgegeben, und in vielen Fällen ist jede Spur von den Quellen verloren gegangen, zum Teil fließen sie noch ungenützt direkt in die Kanalisation oder ins Meer.
COOL CITY konzentriert sich derzeit auf die 3D-Kartierung dieser unterirdischen Kanäle. Das Ergebnis wird mit alten topografischen Karten verglichen. Es werden auch alte Drucke oder andere Gemälde sowie Beschreibungen in historischen Texten herangezogen, um den aktuellen Zustand dieses komplexen Wassersystems zu rekonstruieren. Diese unterschiedlichen Gewässer könnten in Zukunft wieder genutzt werden, ohne dass Trinkwasserqualität erforderlich ist, um die Umgebungstemperatur dank der natürlichen kühlenden Wirkung des Verdunstungsprozesses zu senken. Der Architekt und Gründer von COOL CITY, Alexander Valentino, kann sich vorstellen, dass dieses System wieder hergestellt und das Wasser an die Oberfläche gebracht werden kann. Damit könnten sogenannte „blue spaces“ (Blaue Infrastruktur, d.h. oberflächliche Gewässer verschiedener Art) geschaffen werden, die dann zusammen mit „greenspaces“ (Grüner Infrastruktur) dem Effekt der städtischen Wärmeinsel von Neapel entgegenwirken und somit das Wohlbefinden der Bürger verbessern könnte.
Eine weitere Überlegung ist der Ersatz von Klimaanlagen durch die Nutzung der kühleren Luft, die aus den unterirdischen Hohlräumen in die antiken Palazzi geleitet werden könnte. Vor allem dort, wo noch eine Verbindung durch die ehemaligen Brunnen in den Innenhöfen der Palazzi besteht.
Die Verwirklichung des Projekts würde große urbanistische Umgestaltungen erfordern, für deren Finanzierung auch umfangreiche Mittel erforderlich wären. Vorher müssten aber genaue mikroklimatische Simulationen zeigen, dass sich der Aufwand lohnt.
Ich werde diese Initiative weiterhin mit großem Interesse verfolgen und hoffe, dass sich vielversprechende Neuigkeiten ergeben werden.
Annette Brünger, Neapel
Jesaia 49,10: Sie werden weder hungern noch dürsten, sie wird weder Hitze noch Sonne stechen; denn ihr Erbarmer wird sie führen und sie an die Wasserquellen leiten.