Manchmal hat man den Eindruck, dass es in Deutschland eine Art Volkssport ist, sich über alles und jeden zu beklagen, herumzukritisieren und das Leben und die Welt schlecht zu reden. Hier in Italien geht man mit Unzulänglichkeiten pragmatisch und kreativ um. Das ist menschenfreundlich und nimmt den 1. Brief an Timotheus ernst, der uns zum bevorstehenden Erntedankfest ans Herz gelegt wird. Dort heißt es in den Versen 4 und 5: „Denn alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, was mit Danksagung empfangen wird; denn es wird geheiligt durch das Wort Gottes und Gebet.“
Aus diesen Sätzen spricht eine grundsätzlich positive Weltsicht, weil die Welt von Gott geschaffen worden ist – mit all ihren Macken und Fehlern und mit der Tatsache, dass sie den ebenfalls nicht fehlerfreien Menschen anvertraut worden ist. Wir können uns entscheiden: zu klagen und zu jammern und einem paradiesischen Zustand hinterherzujagen, den es wahrscheinlich nie gegeben hat, oder die Augen aufzumachen und unser Herz zu öffnen, um alles, was uns umgibt, als Geschenk anzunehmen, das durch Gott in all seiner Unvollkommenheit schön, ansehnlich und interessant gemacht wird. Dabei muss man keine rosarote Brille aufsetzen und auch nichts ausblenden, sondern einfach aus einer anderen Perspektive auf die Dinge schauen. Dann verschwinden unser Ärger, unsere Genervtheit und unsere schlechte Stimmung.
Wir dürfen dankbar sein für alles, was Gott geschaffen hat, ohne alles gut finden zu müssen. Aber Dankbarkeit gibt uns Kraft, Dinge zu verändern. Dankbarkeit lässt uns lachen, vielleicht auch den Kopf schütteln, aber niemals resignieren und bestimmt nicht meckern!
Pfarrer Klaus Fuchs, Mailand