Rom, 27. September 2022 – Das Wahlergebnis ist Zeichen für eine Gesellschaft, die von Ängsten umgetrieben und auf der Suche nach Antworten ist.
Der Krieg, die Energiekrise, aber auch die langwierigen sozialen Auswirkungen der Pandemie haben das Klima von Misstrauen und Angst unter den Italiener:innen verstärkt. Deshalb bekräftigen wir erneut, dass Angst eine Falle ist (Sprüche 29, 25), und fordern die Politik auf, diese nicht auszunutzen, um ihren Einfluss zu erhöhen.
Die künftige Regierung muss darauf hinwirken, dass der allgemeine Zustand der Angst überwunden wird, denn er führt zu sozialer Desorientierung, neuer Armut, Diskriminierung und gefährlichen Formen von Vorurteilen und Gewalt. Er lässt unsere Menschlichkeit verkümmern.
Die Pandemie und die jüngsten Krisen verdeutlichen, wie die Prekarität von Rechten wie Gesundheit, Bildung und Arbeit die gesamte italienische Gesellschaft durchdringt und beunruhigt. Diese Rechte dürfen nicht als Dienstleistungen verstanden werden, die als solche nur denjenigen zugutekommen, die darauf Zugriff haben. Es handelt sich vielmehr um Grundrechte, die von der Verfassung geschützt werden und als solche umgesetzt werden müssen.
So sollten die PNRR-Ressourcen des staatlichen Wiederaufbauplans Chancen für Menschen schaffen, und eben nicht für skrupellose profitgierige Privatunternehmen und die bereits hungrig wartenden Mafias.
Der Schutz der Umwelt, der gesamten Schöpfung, ist heute unabdingbar, um eine Zukunft zu ermöglichen für die neuen Generationen – diese stehen schließlich für neue Chancen und dürfen nicht wie so oft als Problem abgetan werden.
Die Natur ist keine Entwicklungsbremse, sondern vielmehr eine Möglichkeit zu lernen und die Herausforderung einer neuen Perspektive, die sich von dem bisherigen, uns vertrauten, konsumorientierten Modell unterscheidet, anzunehmen.
Außerdem muss ein sozialer Zusammenhalt aufgebaut werden, sodass wir dialogfähig sind, konstruktiv auch und vor allem zwischen Generationen und ebenso bezüglich wirtschaftlicher Interessen. Es geht darum, den Menschen ein neues Wohlbefinden zurückzugeben, ein harmonisches, gerechtes, friedliches, psychologisches und soziales Wohlbefinden.
Das Wahlergebnis bestätigt also einen europäischen Trend – in Italien weist er jedoch besondere Merkmale auf. Schon während des Wahlkampf gab es Anzeichen, die uns zutiefst beunruhigt haben. Dennoch – bei allen politischen Diskrepanzen kann uns nur der Dialog aus dieser Situation herausführen, um ein adäquates Klima für ein Land, Italien, wiederherzustellen, auf das Europa weiterhin mit Vertrauen blicken können muss.
Im Hinblick auf den Krieg muss das Recht auf Diplomatie bekräftigt werden, damit die Waffen schweigen und die Gewalt aufhört. Die Polarisierung der Welt in Einflusssphären und in alte Trennungen schafft den Nährboden für neue Konflikte, die heute nicht nur aufgrund der Qualität der Waffentechnologie immer zerstörerischer werden, sondern auch, weil sie auf wirtschaftlichen Ebene in erster Linie die Ärmsten der Gesellschaft treffen und vernichten – während die Macht der Starken kaum davon tangiert wird.
Als Evangelische in Italien, als Lutheranerinnen und Lutheraner sind wir fest in der europäischen Perspektive verankert und gemäß Gottes Wort werden wir unser Engagement in der italienischen Gesellschaft weiterhin ohne Vorurteile, aber mit Aufmerksamkeit und Wachsamkeit fortsetzen.