Seit November 2017: „Dublinati“, das gemeinsame Flüchtlingsprojekt von ELKI und FCEI – Bezugspunkt für internationale Kirchen und NGO
Mit der irischen Hauptstadt Dublin hat es eigentlich nichts zu tun, das gemeinsame Flüchtlings-Projekt von ELKI und FCEI, dem Bund der Evangelischen Kirchen in Italien. Namensgeber ist das Dublin III Abkommen, das Flüchtlingen im EU-Raum die Möglichkeit nimmt, frei zu wählen, wo sie um Asyl ansuchen möchten und sie zwingt, dorthin zurückzukehren, wo sie das erste Mal in Europa registriert worden sind. Das im November 2017 beschlossene und im Januar 2018 gestartete Projekt „Dublin-Flüchtlinge“ wird vornehmlich mit Mitteln aus dem 8xMille Steuerfonds finanziert und war ursprünglich nur auf ein Jahr ausgelegt. Dazu kam eine großzügige Unterstützung der Württembergischen Landeskirche. Allerdings ist mit Eintreten der globalen Corona-Pandemie, so die Koordinatorin der Flüchtlingsprogramme der FCEI, Federica Brizi, alles viel komplizierter geworden.
Im Jahr 2018 sind 6.351 Personen, Asyl-Bewerber oder bereits anerkannte Asylanten, in Anwendung der europäischen Dublin-III-Verordnung nach Italien abgeschoben wurden; im Jahr 2019 waren es nur unwesentlich weniger: 5.864 Personen. Die offiziellen Zahlen für 2020 liegen derzeit noch nicht vor. Das Budget 2020 für das Projekt „Dublin-Flüchtlinge“, in Folge kurz „Dublinati“, belief sich auf 45.200 Euro.
Die gemeinsame Initiative von ELKI und FCEI war ursprünglich auf zehn Personen im Jahr ausgelegt. Bereits im Lauf des ersten Tätigkeitsjahres war es notwendig, diese Quote auf zwanzig zu erhöhen, möglich war dies nicht zuletzt dank der finanziellen Unterstützung der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Allein vom 1. Januar bis Ende März 2019 sind im Rahmen des Projekts bereits dreißig „Dublinati“ betreut worden! Bis Jahresende sollte sich die Zahl mehr als verdoppeln. Die Einführung der beiden Sicherheitsdekrete durch die Regierung Conte, unterzeichnet von dem damaligen Innenminister Salvini im Zeitraum zwischen Ende 2018 und Anfang 2019, führte zu einem humanitären Notstand in Italien und setzte de facto das Flüchtlingsaufnahme und -schutzsystem aus.
Mit Jahresbeginn 2020 und dem Auftreten der Corona Virus-Pandemie ging die Zahl der abgeschobenen Flüchtlinge aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie zurück. In den 12 Monaten des Jahres 2020 wurden auf Meldungen von europäischen Kirchen und NGOs dreißig Menschen in Obhut genommen, vier von ihnen im Rahmen eines langfristig ausgelegten Arbeitsintegrationsprozesses.
Insgesamt betreute das Projektteam 2020 rund 50 Personen mit Migrationshintergrund, darunter viele Minderjährige. Neben den Neu-Ankömmlingen werden auch die in den vergangenen Jahren aufgenommenen, abgeschobenen Flüchtlingen weiterhin betreut, in Bezug auf Integrationsmaßnahmen, Schulungen, Arbeitsvermittlung, sanitäre und rechtliche Unterstützung. In den ersten Monaten des Jahres 2021 hat das „Dublinati“-Team bisher nur einen neuen Fall übernommen.
Als positives Zeichen für eine Trendwende ist das allerdings nicht zu werten. Die Abschiebungen sind nur aufgeschoben. Menschen, die zur Abschiebung bestimmt sind, bleiben jetzt zum Teil wochenlang in provisorischen Erstaufnahmelagern blockiert. Die Zwangsüberstellungen nach Italien wurden aufgrund der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zwar ausgesetzt, nicht aber die freiwillige Überstellung von Asylbewerbern und Migranten. Da während des Lockdowns alle Dienste und Aufnahmeeinrichtungen von heute auf morgen geschlossen worden sind, waren diese Menschen allerdings völlig sich selbst überlassen, bzw. auf nicht staatliche Hilfsorganisationen angewiesen.
Abschiebungen im Rahmen des Dublin-III-Abkommens wurden bisher vor allem von Deutschland und der Schweiz durchgeführt.
Die Leidtragenden des Dublin-III-Abkommens, erklärt die Koordinatorin des Projekts, kommen hauptsächlich aus Nigeria, Eritrea, Pakistan, Ghana, Afghanistan, China, Mali, Kamerun, Somalia und Algerien. Oft handelt es sich um Menschen, die schon vor einigen Jahren nach Europa gekommen sind und die sich in den Ländern, die sie ausweisen, bereits ein neues Leben aufgebaut, eine Wohnung und einen Arbeitsplatz gefunden haben. Tatsächlich steht das Dublin-III-Abkommen in krassem Gegensatz zur Genfer Konvention von 1952, die das Recht der Flüchtlinge auf freie Wahl ihres Aufenthaltsortes festschreibt.
Diejenigen, die als Asylbewerber nach Italien kommen, haben Zugang zur den Hilfs-Maßnahmen im Rahmen der nationalen Flüchtlingsprogramme. Wer bereits den Asylantenstatus zuerkannt hat, hat hingegen in Italien keinerlei Anspruch mehr auf öffentliche Unterstützung. Das Projekt “Dublinati“ zielt deshalb besonders auf diese Kategorie, Menschen, die in Fiumicino aus dem Flugzeug steigen, völlig verloren, ohne zu wissen, an wen sich wenden, wohin gehen, oft mittellos. Es gilt, sich ihrer umgehend anzunehmen, eine Unterkunft zu finden, festzustellen, welche Art der Hilfeleistung benötigt wird, logistisch, sozial oder auch medizinisch und sich dann auch der rechtlichen Aspekte anzunehmen, um die Position dieser Menschen so schnell wie möglich zu klären und zu legalisieren.
Das Projekt “Dublinati” arbeitet eng mit der Heilsarmee von Rom zusammen, die in den ersten beiden Jahren Räumlichkeiten für die kurzfristige Unterbringung der Abgeschobenen zur Verfügung gestellt hat. “Der bürokratische Aufwand, sowohl für die Aufnahme als auch in Bezug auf die gesundheitlichen und rechtlichen Aspekte, sind seit Corona viel komplexer geworden, der gesamte Prozess nimmt wesentlich mehr Zeit in Anspruch”, unterstreicht die Projektleitung.
Die Leistungen, die das Projekt “Dublinati” garantiert, sind im Einzelnen:
– Unterstützung, Information und Monitoring vor der Abreise (Sammlung von Meldung und Fallinformationen)
– Organisation von geschützten Rücküberführungen (Kontakte mit Flughafenbehörden und NGOs);
– Empfang am Flughafen (bei Personen mit körperlichen oder psychischen Beschwerden);
– Vermittlung und Unterbringung in Aufnahmezentren;
– Vorübergehende Aufnahme in anerkannten Einrichtungen (Heilsarmee, YWCA, Refugees Welcome);
– Rechtsbeistand (bei Asylantrag, Vorbereitung der Anhörung zur Anerkennung des internationalen Schutzes vor der Territorialkommission, Einlegung von Berufungen, Familienzusammenführungen usw.);
– Orientierungshilfe und Unterstützung bei der Eingliederung, bei Behördengängen (Anmeldung beim nationalen Gesundheitsdienst, Arbeitsämtern, Italienisch-Sprachschulen sowie Kontaktaufnahmen mit NGOs der jeweiligen Region);
– Gesundheitsspezifische, soziale, psychologische und auf Arbeitssuche bezogene Orientierungshilfe, Tutoring und Begleitung zu lokalen Dienstleistern;
– Finanzielle Unterstützung.
Seit dem Start des Projekts “Dublinati” gehen immer mehr Anfragen um Informationen und Bitten um Zusammenarbeit ein, ebenso wie konkrete Meldungen über bevorstehende Abschiebungen. Vor allem aus Deutschland. Daraus ist zu schließen, dass das von ELKI und FCEI geförderte „Dublinati-Projekt“ in Italien zu einem Bezugspunkt für das internationale Netzwerk von Kirchen und NGOs geworden ist.
nd
19.05.2021