Was ist das Erntedankfest?
In den Gemeinden der evangelisch-lutherischen Kirche in Deutschland (VELKD) wird der Erntedankgottesdienst in der Regel am ersten Sonntag im Oktober gefeiert. In jüngster Zeit feiern Christinnen und Christen das Erntedankfest immer häufiger mit einem Familiengottesdienst, an dem sich Eltern und ihre Kinder beteiligen. Nach der Reformation wurde das Erntedankfest zunächst an unterschiedlichen Terminen gefeiert. Christinnen und Christen feiern das Erntedankfest nach der Ernte im Herbst. In einem Gottesdienst danken sie Gott für seine Gaben. Dabei stehen vor allem die Ernte und die Früchte des Feldes im Mittelpunkt, aber auch das tägliche Brot und alles, was Menschen zum Leben brauchen. Als Zeichen dafür schmücken die Gemeinden ihre Altäre mit den Früchten des Feldes. Mit dem Erntedankfest erinnern sie an die Verantwortung des Menschen für einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen und den Schutz der Natur, die von Gott geschaffen und dem Menschen zur Bewahrung anvertraut ist (1. Mose 1,28 und 2,15). Dabei betonen sie, dass der Mensch in Naturkreisläufe eingebunden ist und trotz des technischen Fortschritts von diesen abhängig bleibt.
Geschichte und biblischer Hintergrund von Erntedank
Erntedank feiern viele Kulturkreise. Oft sind damit alte Traditionen und Bräuche verbunden. Die Menschen in Nordeuropa hatten schon in vorchristlicher Zeit Riten zum Dank für die Ernte. Denn in vielen Religionen galten die Früchte des Feldes als Gottes Geschenke. Seit dem 3. Jahrhundert ist das Erntedankfest in der westlichen Kirche belegt. Im Ersten Testament wird berichtet, dass Kain ein Opfer von den Früchten des Feldes und Abel ein Opfer von den Erstlingen seiner Herde zu Gott brachte (1. Mose 4). Im späteren Judentum gab es zwei Erntefeste: Das Pfingstfest, Shavuot, als Getreide-Erntefest und das Laubhüttenfest, Sukkot, im Herbst als Wein- und gesamtes Erntefest (Ex. 23,16).
Gelesen werden biblische Texte wie das Gleichnis vom reichen Kornbauern (Lukas 12,13-21). Darin mahnt Jesus, dass viel Besitz keine Sicherheit bietet, sondern den Blick für den wahren Reichtum verstellt. „Reich bei Gott“ zu sein, erfordert ein Handeln aus Nächstenliebe. Ein verbreitetes Lied zu Erntedank ist „Wir pflügen und wir streuen“ von Matthias Claudius.
Nachhaltigkeit und Kirche
Der Klimawandel macht immer sichtbarer, dass eine ausreichende Versorgung der Menschheit mit Nahrungsmitteln nicht mehr selbstverständlich ist.
Deswegen bitten Christinnen und Christen an Erntedank um die Gnade Gottes und um Gerechtigkeit für hungernde Menschen. Viele Gemeinden, die sich für die „Eine Welt“ engagieren, stellen die Arbeit von „Brot für die Welt“ oder eigene Projekte als Zeichen der Solidarität vor. Nach dem Gottesdienst verteilen viele Gemeinden die Erntegaben an Bedürftige. Oft schließt sich ein gemeinsames Essen an den Erntedankgottesdienst an, für das manchmal Erntegaben vom Altar zu einer Erntedank-Suppe gekocht werden.
Plastik in den Meeren, Gift auf den Feldern und Feinstaub in der Luft – die Menschheit droht die Erde in eine Müllhalde zu verwandeln. Wir – die Menschen in den reichen Ländern – verbrauchen zu viele Ressourcen und überschreiten die ökologischen Grenzen. Unser Lebensstil basiert zudem oft auf Ausbeutung von Menschen in armen Ländern. Nicht nur die Umwelt leidet, auch Tiere, Pflanzen und Menschen sind bedroht, das Überleben künftiger Generationen ist gefährdet. Viele Menschen protestieren gegen diese Missstände. Auch die Evangelische Kirche in Deutschland, sowie in Italien, fordert ein Umdenken und setzt sich für mehr Nachhaltigkeit sowie eine sozial-ökologische Transformation unserer Gesellschaft ein.
Nachhaltigkeit umfasst jedoch nicht nur Klimaschutz, sondern zielt auf ein Leben in Frieden und Gerechtigkeit für die ganze Schöpfung, Tiere, Pflanzen und Menschen – auch für die künftigen Generationen.
Bibeltexte: „Gott spricht: Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ 1.Mose 8, 22.
Kor9,10: „Der aber Samen gibt dem Sämann und Brot zur Speise, der wird auch euch Samen geben und ihn mehren und wachsen lassen die Früchte eurer Gerechtigkeit.“
Psalm 104,1a, 10–15, 27–30.33 Mk 8,1-9
Lied: ELKI Innario Nr. 283 „Gott gab uns Atem“ / „Dio ci dà l’aria“
Kuriositäten:
So wichtig und notwendig eine Ethik des Teilens ist, so steht an diesem Fest die Vielfalt des Dankes im Mittelpunkt. Deshalb gilt es, die Gemeinde in eine „Grammatik des Dankes“ zu führen, die dem Gläubigen hilft, Formen des Dankes zu lernen und einzuüben. Dabei geht es um einen Dank mit „Herzen, Mund und Händen“. Werden am Erntedankfest Formen des Dankes geübt, können sie auch weiterreichen, über die Feier eines punktuellen Erntedankfestes im Oktober hinaus in den Alltag des Einzelnen hin zu einem umfassenden Lebensdank.