Flüchtlinge
Christenpflicht heute
Die Position der ELKI zum Thema Migration: Achtung der Menschenrechte, Hilfe und Integration
Massive Völkerwanderungen prägen den Beginn des 21. Jahrhunderts. Klimatische Veränderungen, Diktaturen, Kriege, ethnische Säuberungen, Diskriminierungen und katastrophale wirtschaftliche Verhältnisse zwingen hunderttausende von Menschen aus Afrika und Asien, ihre Heimat zu verlassen und alleine oder mit ihren Familien Zuflucht und eine Zukunft in Europa zu suchen. Viele von ihnen werden Opfer von Schlepperbanden. In Auffang-Lagern in Libyen sind sie Gewalt, Folter und Vergewaltigung ausgesetzt. Der Weg in die Hoffnung endet nur zu oft in einem Grab auf dem Meeresgrund, wenn die notdürftigen, völlig überladenen Nussschalen, mit denen sie das Mittelmeer überqueren sollen, untergehen. Die Tätigkeit der wenigen noch im Mittelmeer verbliebenen Rettungsschiffe von den NGOs wird durch bürokratische Komplikationen aller Art erschwert und nur zu oft sind sie gezwungen, tagelang mit verzweifelten Flüchtlingen an Bord im offenen Meer zu ankern, bevor sie in einem sicheren Hafen anlegen können. Europa ist entzweit zwischen jenen, die sich dieser Menschen solidarisch annehmen wollen und jenen, die Grenzen, Häfen und Herzen angesichts dieser Not verschließen. Italien ist aufgrund seiner besonderen geographischen Lage, der Nähe zu Afrika, und seiner geologischen Beschaffenheit als Halbinsel mit tausenden von Kilometern an Küste, vom Phänomen der Migration besonders betroffen.
Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Italien hat sich des Themas der Migration bereits auf der Synode von 2015 angenommen und eine Erklärung verabschiedet, in der sie sich zur offenen Kirche erklärt, zur Hilfe und Aufnahme dieser Menschen auf der Flucht aufruft und gleichzeitig anerkennt, dass die Komplexität und Dramatik des Phänomens Migration ebenso wie die traumatischen Erfahrungen der Flüchtlinge, unsere Gesellschaft in besonderem Maße prägen werden. Die ELKI selbst hat ihre Wurzeln in der Migration, die Mehrzahl der Mitglieder hat einen Migrationshintergrund.
Die Gemeinden der ELKI sind in zahlreiche diakonische Initiativen eingebunden, darunter auch viele Flüchtlings-Hilfsprojekte. Auf nationaler Ebene hat die ELKI vor drei Jahren die Position einer Diakoniebeauftragten geschaffen, die nicht nur den Gemeinden zur Seite steht, sondern auch die Hilfs-Projekte der ELKI auf nationaler Ebene koordiniert. Die vielfältigen Initiativen und Projekte werden zum Großteil mit Mitteln aus dem 8xMille Steuerfond finanziert. Mit dem Projekt „Dublinati“, nimmt sich die ELKI jener Menschen an, die aufgrund des Dublin III Abkommens abgeschoben und nach Italien zurückgeschickt werden, auch wenn sie in europäischen Drittländern bereits Integrationsprozesse durchlaufen (haben). Als Mitglied des Bundes der Evangelischen Kirchen in Italien, FCEI, unterstützt die ELKI das Programm der Humanitären Korridore. Gleichzeitig teilt die ELKI in allen Punkten das von der FCEI am 8. August 2018 verabschiedete „Manifest zur menschenwürdigen Aufnahme – Manifesto per l´accoglienza“.
Das Konsistorium und das Synodalpräsidium der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Italien erklären, gestützt auf die Botschaft des Evangeliums:
- dass die Solidarität mit Menschen, die das Mittelmeer bzw. die Grenzen zu Europa in der Hoffnung auf eine menschenwürdige Zukunft überqueren, Christenpflicht ist
- dass es keine Ausnahmen für die Wahrung der Menschenrechte gibt
- dass ein Gegenüberstellen und Abwägen von national-populistischen Interessen mit der Rettung von Menschenleben und Aufnahmebereitschaft unannehmbar ist, ebenso wie die Schließung von Grenzen und Häfen
- dass nationales Recht und nationale Interessen nicht über das internationale Völkerrecht, die Menschenrechte und das internationale Seerecht erhoben werden dürfen
- dass humanitäres Engagement und humanitäre Hilfsaktionen nicht kriminalisiert werden dürfen
- dass es für das reiche Europa (und auch Italien) keine Entschuldigung geben kann, Menschen in Not, Hilfe, Aufnahme und Asyl zu gewähren
- dass sich die ELKI als Kirche italienischer Rechtsordnung ohne Wenn und Aber zu den Werten der italienischen Verfassung, insbesondere Artikel 2, bekennt: „Das Recht auf Unversehrtheit, die Verpflichtung zu wirtschaftlicher, politischer und sozialer Solidarität“
- dass alle Maßnahmen zur Förderung der legalen Einreise für Migranten zu unterstützen sind (wie z. B. die Humanitären Korridore)
- dass die ELKI als Kirche nicht nach politischen Grundsätzen, sondern nach dem Prinzip der Nächstenliebe handelt und voll Gottvertrauen und ohne Angst ihre Stimme zugunsten Benachteiligter und Schutzbedürftiger erhebt
- dass nach der Ersthilfe, die Förderung von Maßnahmen zur Integration der Migranten in die Gesellschaft das wichtigste Anliegen ist
- dass Migration nicht nur als abstraktes Phänomen betrachtet werden darf, sondern jeder einzelne zur Begegnung und zum Austausch mit diesen Menschen aufgerufen ist, nach dem Prinzip, „Was ich kenne, macht mir weniger Angst“
- dass alle, ohne Unterschiede, das Recht auf unsere Anteilnahme und Hilfe haben: Christen aller Konfessionen, Muslime, Juden, Anders- und Nichtgläubige
- dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Menschen, die sich in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft und auf ein Leben unter menschenwürdige Bedingungen auf den Weg machen, dürfen deshalb nicht diskriminiert und verurteilt werden
- dass unser Glauben uns alle zu Schwestern und Brüder werden lässt
- dass ganz Europa aufgrund der gemeinsamen Wurzeln und der gemeinsamen Geschichte aufgerufen ist zu Solidarität, Hilfe, Aufnahmebereitschaft, Asyl und Integration und dass alle Kirchen in Europa aufgerufen sind, in dieser Hinsicht Einfluss auf ihre Regierungen zu nehmen und selbst mit gutem, christlichem Beispiel voranzugehen
Matthäus, 25,35 und 25,40: „Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen. (…) Wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“
Für die Evangelisch-Lutherische Kirche in Italien, das Konsistorium und das Synodalpräsidium: Dekan Heiner Bludau, Vizedekanin Kirsten Thiele, die gesetzliche Vertreterin der ELKI, Cordelia Vitiello, die Finanzbeauftragte Ingrid Pfrommer, Konsistorialrat Angelo Ruggieri, Synodalpräsident Georg Schedereit und der Vizepräsident der Synode, Wolfgang Prader
nd
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