Rom, 26. Januar 2023 – Anlässlich des Gedenktages am 27. Januar sprach unser Kommunikationsbeauftragter Gianluca Fiusco mit der Präsidentin des Verbandes der italienischen jüdischen Gemeinden, Noemi Di Segni. „Es gab eine Verantwortung der religiösen Welt, und es gibt sie auch heute“, bekräftigte Noemi Di Segni in Bezug auf die Shoah, aber auch in Bezug auf neue Formen des Leugnens und der antijüdischen Stimmung.
Die Herausforderung der Erinnerung ist eine ständige kollektive Verpflichtung. „Das Zusammensein als Gemeinde, so wie wir Juden und Sie als Lutheraner“, betonte Noemi Di Segni, „macht uns verantwortlich für die Existenz dieser Orte der Begegnung. Wir sollten uns über die Besonderheit bewusst sein, eine Gemeinde zur Verfügung zu haben, in der man sein kann und einen Teil von sich selbst einbringen kann. Das ist Luxus! Orte, die Kraft geben. Nicht nur Orte für Rituale und Gebete, sondern Orte des Willkommens, um die menschlichen Wunden von heute zu heilen: Orte, die heilsam sind, weil sie heilen wollen und lernen.“
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Gianluca: In den vergangenen Tagen hat Liliana Segre bei der Präsentation der Initiativen für diesen Gedenktag im Senat zu Bedenken gegeben: „In ein paar Jahren wird die Shoah in den Geschichtsbüchern in einer Zeile behandelt werden und dann nicht einmal mehr das“. Teilen Sie die bittere Vorhersage von Liliana Segre? Wenn ja, warum?
Noemi Di Segni: Ja, ich teile die Bedenken, die Liliana Segre mit diesem Satz geäußert hat. Im Judentum bezieht sich der Begriff des Gedächtnisses auf einen Zeitraum von mehreren tausend Jahren: Wir sind es gewohnt, Ereignisse von vor Jahrtausenden zu überliefern. Daher ist das Gedächtnis in gewisser Weise auch eine Herausforderung der Erinnerung, die sich in regelmäßigen Aktivitäten äußert: sei es anlässlich der Erschaffung der Welt oder des Auszugs aus Ägypten oder anderer jüdischer Feiertage und Feste. Es ist eine Erinnerung, die eine enorme Zeitspanne beschreibt. Die Shoah ist für uns daher und in Bezug auf diesen Zeitrahmen sehr jung. Die Frage ist also: Wie lässt sich dieses Gedächtnis zu einer weltweiten Tradition machen? Und wie kann man verhindern, dass dieses Gedächtnis nicht bis zum Desinteresse banalisiert wird? Hier teile ich die Sorge von Liliana Segre. Der Schwerpunkt darf nicht lauten: „Hören wir mal den Juden zu, die Armen, sie haben so viel gelitten…“. Denn dadurch könnte durchaus die Reaktion „Ja, wir haben es verstanden, das reicht jetzt“ hervorgerufen werden. Das eigentliche Thema ist nicht, dass wir an diesem Tag die Juden „liebkosen“, sondern dass wir an uns selbst arbeiten, an unserer Geschichte, unserer Identität und unserer italienischen Verantwortung. Damit von all dem nicht nur eine einzige Zeile übrig bleibt, ist es notwendig, dem Gedächtnis einen festen Inhalt zu geben. Wir müssen verstehen, was passiert ist und warum es uns Italienern passiert ist. Und um Frau Segre’s Argumentation in gewisser Weise zu ergänzen, füge ich hinzu, dass das Thema „Juden“ keine einfache Analogie Juden gleich Shoah sein sollte. In der Tat ist ein Trend erkennbar, bei dem das Interesse am Judentum nur darauf reduziert wird, über die Überlebenden, nur über die Shoah zu sprechen. Das Judentum, und das sage ich mit tiefem Respekt, besteht natürlich nicht nur aus Überlebenden, denn das könnte dazu führen, dass das Judentum nur mit dem Leid der Shoah identifiziert wird. Es gibt andere Themen, es gibt eine jüdische Kultur, die italienische Kultur ist, es gibt andere Dimensionen. Der wirkliche Schwerpunkt muss auf der Integration der Kultur liegen, der jüdischen Kultur, die italienische Kultur ist, und auch der Shoah, die, wenn sie in einem zeitlichen Raum definiert wird, eine Möglichkeit bietet, angemessen damit umzugehen: Man kann die Shoah nicht dreihundertfünfundsechzig Tage im Jahr behandeln. Aber es ist richtig, einen starken, intensiven, eigens dafür gewidmeten Moment zu haben. Ich würde also sagen, es gibt drei wichtige Punkte: der erste betrifft den Inhalt, den Zweck des Wissens, der Verantwortung; der zweite zielt darauf ab, klarzustellen, dass das Judentum nicht nur auf Tod, Verfolgung und Tragödie reduziert werden kann und darf; der dritte betrifft die Tatsache, dass die Shoah nicht eine Zeile ist, die nur die Juden betrifft, sondern auch den Faschismus und die Italiener.
Gianluca: Ignazio La Russa hat im Oktober vergangenen Jahres bei seiner Amtseinführung als Präsident des Senats, das zweithöchste Amt des Staates, betont, wie wichtig es ist, auch andere Daten im Kalender zu beachten: zum Beispiel die Geburt des Königreichs Italien. Wenn man den Kalender mit so vielen Gedenktagen füllt, besteht dann nicht die Gefahr, dass diese alle irgendwie gleichwertig sind und somit ihre Bedeutung geschmälert wird?
Noemi Di Segni: Man darf den Kalender sicherlich nicht mit ganz unterschiedlichen Dingen füllen. Die Gefahr besteht jedoch vor allem darin, das Konzept der Einzigartigkeit auf etwas anderes, auf irgendeine weitere Katastrophe zu reduzieren. Das bedeutet nicht, dass wir für andere Völkermorde, Ausrottungen oder Schmerzen weniger sensibel sind. Aber wir müssen verstehen und uns daran erinnern, dass die Ereignisse, die zur Shoah geführt haben, ihre eigene Einzigartigkeit haben. Und dass durch die Tatsache, dass per Gesetz beschlossen wurde, diesem Gedächtnis einen Gedenktag zu widmen, und dass das dann auch international beschlossen wurde, nicht alles auf die gleiche Ebene gestellt werden kann. Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, dass es keinen Respekt für anderes Leid gibt, so ist das nicht gemeint. Dennoch liegt im Völkermord des Holocaust auch eine Wahrheit der Absolutheit und des Wahnsinns, die nicht aufgelöst werden kann. Alle anderen menschlichen Verbrechen sind zweifelsohne schreckliches menschliches Leid. Eine Massenvernichtung wie bei der Shoah hat es anderswo nicht gegeben. Bevor man also weitere Jahrestage in einen ansonsten recht vollen Kalender einträgt, sollte man bedenken, dass Gedenktag und Jahrestag zwei unterschiedliche Dimensionen sind.
Gianluca: Erst kürzlich haben Sie uns aufgefordert, am Holocaust-Gedenktag Mitgefühl und eine Verharmlosung der Shoah als ein nur die Juden betreffendes Schicksal zu vermeiden, sondern ihn mit dem Bewusstsein zu begehen, dass er „zwanzig Jahre Faschismus und die italienische Geschichte betrifft, an der noch viel gearbeitet werden muss“. Sind Sie der Meinung, dass die Zeiten, in denen wir leben, eher von einer sozialen, kulturellen und politischen Müdigkeit zeugen als von Verleugnung und damit neue Voraussetzungen für Formen von Hass und Diskriminierung bieten?
Noemi Di Segni: Ich denke an die grundlegende Bedeutung der Institutionen bei der Schaffung eines absoluten Niveaus der Beteiligung, der Verantwortung. Deshalb ist der Ton von oben entscheidend. Die Anwesenheit des Staatspräsidenten Mattarella, der Präsidenten der Abgeordnetenkammer und des Senats oder auch bestimmte Standpunkte sind nicht selbstverständlich. Diese Schlüsselfiguren bezeugen, dass es die Gedenkveranstaltungen, die Produktion von Zeugnissen und das Handeln des Einzelnen sind, die in ihrer Gesamtheit das Gedächtnis ausmachen. Die Gesamtheit bildet Erinnerung. Aber ich möchte auch sagen, dass Italien – zumindest nach dem, was ich auf internationaler Ebene beobachten kann,- eine hervorragende, außergewöhnliche Beteiligung aufweist. Natürlich gibt es auch aktuelle antisemitische Äußerungen gegen Israel, gegen Juden, sogar in bestimmten Kreisen der Kirche. Die außergewöhnliche Beteiligung an den Gedenkveranstaltungen in Italien schließt also die Existenz solcher beunruhigender Vorfälle nicht aus. Und man kann nicht einerseits der Shoah gedenken und andererseits ignorieren, was im aktuellen Kontext geschieht: mit ganz klaren Aktionen des Hasses, der Gefährdung jüdischer Gemeinschaften oder der Dämonisierung Israels, wie es in der Vergangenheit an anderen Fronten geschehen ist. Es geht also darum, sich zu erinnern, solange wir unsere Augen nicht vor der Gegenwart, vor dem heutigen Antisemitismus verschließen: Denn die Wurzeln des Antisemitismus, der Vorurteile und des Hasses sind diejenigen, die zu dem schrecklichen Epilog geführt haben, an den der 27. Januar erinnern will. Wenn wir heute ein Wiederaufleben des Antisemitismus erleben, bedeutet dies, dass die eigentliche Arbeit nicht nur im Gedächtnis im Sinne von Bewusstsein oder Gedenken besteht, sondern im Verstehen dessen, was heute zu tun ist.
Gianluca: Sie sprachen von der Mitschuld bestimmter Kreise der Kirche am Antisemitismus. Die christlichen Kirchen waren nicht in der Lage, den Faschismus in Italien oder den Nationalsozialismus in Deutschland aufzuhalten. In Deutschland haben die Bekennende Kirche und Dietrich Bonhoeffer dies versucht. Und heute?
Noemi Di Segni: Ich meine, dass es natürlich eine Verantwortung der religiösen Welt gab und auch heute noch gibt. Es ist wünschenswert, dass diese Tatsache stärker in das Bewusstsein der Kirchen rückt. Sicherlich hat es in der religiösen und kirchlichen Welt viel Rechtschaffenheit und Engagement gegeben. Vor kurzem wurden die Archive des Vatikans geöffnet, und wir werden ein besseres Verständnis für den damaligen Entscheidungsprozess bekommen, der zu den externen Maßnahmen führte, die die Kirche damals ergriff. Zum Beispiel werden wir versuchen, die Gründe für das Schweigen zu begreifen. Eine Untersuchung, die uns vielleicht das „Wie und Warum“ zu verstehen hilft. Oder was getan wurde, weil man dachte, es besser zu tun, und was nicht getan wurde, weil man es nicht für notwendig erachtete. Sicher ist, dass die religiöse Welt damals wie heute eine Verantwortung trägt. Ein von religiösen Vorurteilen geprägter Zugang zum Judentum. Eine religiös (insbesondere christlich) motivierte Voreingenommenheit in den italienischen Generationen und in der italienischen Welt und, auch heute noch, zum Beispiel in Südamerika oder in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Ebenso wie in der orthodoxen Welt gibt es nach wie vor Annäherungskonzepte an das Judentum, die nur schwer zu beseitigen sind und nicht durch absoluten Säkularismus kompensiert werden können. Es bleibt eine Frage der religiösen Kultur und der Beziehung zum Judentum und zu antijüdischen Vorurteilen. Die Rolle der Kirchen ist heute also sehr wichtig. Sowohl um diese latenten Vorurteile abzubauen als auch und vor allem, um eine Lesart der Heiligen Schriften zu vermitteln, die Bedeutung, die diesen Schriften in der heutigen Welt zugeschrieben wird, und die Rolle, die sie für die christliche Welt spielen. Auch hier müssen wir Gemeinschaft schaffen, denn die Rolle der Heiligen Schriften beeinflusst das Leben der Menschen heute wie früher nicht nur auf religiöser Ebene: Denken Sie an Themen wie Gewalt gegen Frauen, die Isolation junger Menschen, Homosexualität, Einsamkeit usw. Das Zusammensein als Gemeinde, so wie wir Juden und Sie als Lutheraner, macht uns verantwortlich für die Existenz dieser Orte der Begegnung. Wir sollten uns über die Besonderheit bewusst sein, eine Gemeinde zur Verfügung zu haben, in der man sein kann und einen Teil von sich selbst einbringen kann. Das ist Luxus! Orte, die Kraft geben. Nicht nur Orte für Rituale und Gebete, sondern Orte des Willkommens, um die menschlichen Wunden von heute zu heilen: Orte, die heilsam sind, weil sie heilen wollen und lernen.
Gianluca: Frau Di Segni, vor wenigen Wochen haben Sie einen sehr eindringlichen Appell verfasst: Wir leben heute in einer Situation, in der wir die Freiheiten, die wir genießen, als selbstverständlich ansehen, die aber nicht selbstverständlich sind. Aus diesem Grund dürfen und können wir nicht gleichgültig gegenüber Situationen sein, die an diese Art von Regimen erinnern. In der Tageszeitung La Repubblica haben Sie geschrieben: Notverordnung und legalisierte Verfolgung waren nur die Krönung der Schandtaten des faschistischen Regimes. Besorgnis also gegenüber der modernen und schleichenden Formen des Autoritarismus, die, ohne formell Gesetze und die Verfassung abzuschaffen, Gedanken, Ideen, Intoleranzen normalisieren?
Noemi Di Segni: Wir stehen vor einer entscheidenden Frage: Wir müssen verstehen, was der Faschismus für Italien war. Denn das Übel des Faschismus lässt sich nicht auf die Rassengesetze reduzieren. Diese waren allenfalls seine Offensichtlichkeit für jedermann. Der Faschismus als absolutes Übel ist ein solches, weil er zwei Jahrzehnte lang Massaker und absolute Gewalt verübt hat. Das Tagesgeschäft – zu dem jedes Regime verpflichtet ist, weil es sich um eine fast bürokratische Aufgabe handelt – kann nicht die Vorstellung von einem guten Faschismus rechtfertigen, der die pontinischen Sümpfe trocken legt, dann aber anderswo versagt. Deshalb müssen wir uns heute von der Vorstellung lösen, dass abgesehen von dem, was den Juden angetan wurde, alles andere akzeptabel sein kann. Die offensichtlichste Tatsache waren die Rassengesetze. Und auch hier muss klargestellt werden, wer sie verfasst, wer sie unterschrieben, wer sie gewollt und wer sie erlassen hat. Mit anderen Worten, wir müssen verstehen, dass dieses Regime, das auch die Rassengesetze geschrieben hat, ein System war, das durch zwanzig Jahre Machtmissbrauch und Massaker eine Tragödie für ganz Italien darstellte.
Gianluca: Das faschistische Regime funktionierte jedoch auch dank eines standardisierten Informationssystems. Wie beurteilen Sie die Qualität der italienischen Nachrichtenmedien zu dieser Thematik und generell zu Alltagsthemen?
Noemi Di Segni: Es gibt noch viel zu tun. Eine Menge Arbeit mit den Journalisten. Die Aufsplitterung der Information auf verschiedene Medien hat Ignoranz, Konditionierung und Oberflächlichkeit noch verstärkt. Es gibt viel Ignoranz in der Welt des Journalismus: Ich würde sogar sagen, dass die ideologische Ausrichtung eher akzeptiert werden kann als Ignoranz. Denn man kann die Einstellung eines Journalisten teilen oder auch nicht, aber zumindest ist einem klar, wie man einen Artikel dieser Person lesen wird. Ich halte Ignoranz für schlimmer als ideologische Vorurteile, sie ist eine arglistige Oberflächlichkeit. Die Leichtigkeit, mit der Israel dämonisiert wird, mit der nur Informationen einer bestimmten Art über das Land gemeldet werden usw… Dann gibt es die Plattformen, die als Vermittler von Gewalt- und Hassinhalten fungieren. Das ist ein sehr, sehr sensibles Thema, das sicher nicht den einzelnen Journalisten betrifft. Pressefreiheit, Publikationsfreiheit, Redefreiheit, verfassungsmäßige Freiheiten sind sicherlich wichtige Errungenschaften nach dem Faschismus. Das bedeutet aber nicht, dass wir diese Freiheiten nutzen, indem wir den Hass auf andere schüren. Es ist ein Thema, das uns herausfordert und das zum Beispiel und vor allem die Welt der Justiz herausfordert.
Gianluca: Im Jahr 2022 kam es zu zahlreichen antisemitischen Vorfällen, die sich vor allem gegen junge Menschen und symbolträchtige Orte richteten. Im Internet nimmt der Hass zu. Die Holocaust-Verzerrungen zielen einerseits darauf ab, die Shoah zu banalisieren und damit zu verharmlosen, andererseits die Debatte zu polarisieren und zu politisieren, sodass sich die Menschen auf asymmetrischen und gegensätzlichen Seiten wiederfinden; mit der Leugnung, die oft anderen Leugnungen jüngerer Vorfälle gleicht, schließt sich der Kreis. Inwieweit glauben Sie, dass der demokratische Halt nicht nur dieses Landes, sondern auch Europas gefährdet ist, wenn diese Themen auf schulische Debatten beschränkt bleiben und vom Mainstream-System abgelehnt werden?
Noemi Di Segni: Es gibt eine besorgniserregende und ernsthafte Zunahme dieser Vorfälle, die mit der Korrektheit der Rolle der Nachrichtenmedien zu tun hat. Ich wage es zu behaupten, dass die Korrektheit der Information in ihrer spezifischen Rolle bei der Verbreitung von Hass und Antisemitismus mit seinen neuen Varianten und Leugnung auf die Prüfung gestellt wird. Vielleicht geht es uns heute nicht mehr so sehr um die Leugnung des Geschehenen. Stattdessen sollten wir uns über die Verharmlosung oder Verhöhnung Sorgen machen oder um die Verwendung des Begriffs Shoah für ganz andere Zwecke. Also seine Verwendung in der Alltagssprache oder um Leiden auszudrücken, die nichts mit der Welt der Shoah zu tun haben. Das haben wir zum Beispiel bei den Impfgegnern gesehen, die behaupteten, wie Deportierte und Gefangene in Vernichtungslagern zu leiden. Wir sehen es heute in dem schrecklichen Krieg in der Ukraine: Beide Seiten machen sich gegenseitig Nazi-Vorwürfe, vergleichen sich mit den Millionen Toten in den Konzentrationslagern. All das ist erschreckend! Es ist, als ob man diese Millionen von Menschen ein zweites Mal sterben ließe! Und doch ist dieser banale, triviale Gebrauch der Geschichte nicht verboten, er wird nicht als Leugnung betrachtet. Grundsätzlich gibt es keinen expliziten Hass gegen die Überlebenden oder gegen Frau Segre.Ich will damit sagen, dass ich genauso leide wie sie. Aber es ist eine Art und Weise, diese Menschen und, ich würde sagen, uns alle zu beleidigen. Diese Leichtfertigkeit, dieser Übergang von einem Konzept zum anderen, hat mit der Verleugnung von Missbrauch zu tun. Dies sollte auch auf gesetzlicher Ebene geregelt werden.
Gianluca: Darf ich Sie abschließend noch um einen persönlichen Gedanken, eine Aufforderung für den Gedenktag bitten?
Noemi Di Segni: Der Gedenktag ist keine mitfühlende Liebkosung der jüdischen Tragödie, sondern ein Tag der Verantwortung für uns alle.