Über das Adventslied „Die Nacht ist vorgedrungen“
Liebe Leserin, lieber Leser!
Wie gut tut es, wenn eine schwierige Phase im Leben endlich zu Ende geht! Ein Licht durchbricht die Finsternis, und es wird wieder hell im Leben! Bestimmt kann jeder Mensch davon aus seinem Leben erzählen, vielleicht auch Sie? Eine Zeit der Einsamkeit kommt an ihr Ende, eine Krankheit wird überwunden, ein schwieriges Verhältnis findet Frieden, eine Arbeitsstelle wird endlich gefunden.
Es ist ermutigend, dass es solche Erfahrungen immer wieder gibt, dass Licht die Finsternis überwindet! Ein Adventslied ist sogar überzeugt: Es wird eine Zeit kommen, in der es in dieser Welt gar keine Nacht mehr geben wird, das Licht wird die Nacht völlig von dieser Erde vertreiben. Wer jetzt weint, weil es um ihn herum Nacht ist, der soll sehen, dass bereits der Morgenstern aufgegangen ist, der den Tag ankündigt, der höre auf zu weinen und stimme froh in den Lobgesang ein, der dem Morgenstern gesungen wird.
Dieses Adventslied heißt: „Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern“. Geschrieben hat es Jochen Klepper, ein deutscher Schriftsteller, im Jahr 1937, also zu einer Zeit, als es in Deutschland kaum finsterer sein konnte, zur Zeit des Dritten Reiches. So lautet seine erste Strophe:
1) Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern!
So sei nun Lob gesungen dem hellen Morgenstern!
Auch wer zur Nacht geweinet, der stimme froh mit ein.
Der Morgenstern bescheinet auch deine Angst und Pein.
Haben wir in dieser ersten Strophe gespürt, wie die Nacht im Schwinden ist, weil der Morgenstern aufgeht? Aber können wir das glauben? Wenn wir uns auf der Erde umsehen, ist oft so viel Nacht. Aber die Nacht soll bald zu Ende sein? Wie kommt Jochen Klepper zu dieser Hoffnung? Noch dazu dichtet Jochen Klepper dieses Lied in der Dunkelheit des nationalsozialistischen Deutschlands und er ist auch selber persönlich von dieser Dunkelheit bedroht, weil er mit einer Jüdin verheiratet ist. Trotzdem dichtet er: „Der Tag ist nicht mehr fern!“ Was lässt Jochen Klepper so sicher sein? Wer ist der Morgenstern, der die Finsternis bezwingt? Die Antwort finden wir in der zweiten Strophe:
2) Dem alle Engel dienen, wird nun ein Kind und Knecht.
Gott selber ist erschienen zur Sühne für sein Recht.
Wer schuldig ist auf Erden, verhüll nicht mehr sein Haupt.
Er soll errettet werden, wenn er dem Kinde glaubt.
Warum glaubt Jochen Klepper, dass die Nacht auf dem Rückzug ist? Jochen Klepper singt von einem Retter, von einem Kind, das aus der Finsternis rettet. Er meint Jesus. Jesus ist der Morgenstern Gottes, der die Finsternis besiegt. Die schlimmste Finsternis, die einen Menschen umgeben kann, ist seine Schuld. In seiner Schuld ist der Mensch völlig einsam. Doch Jesus rettet aus Schuld. Wer das glaubt, der braucht nicht mehr aus Scham sein Haupt verhüllen, der darf froh aufblicken, der sieht auf seinem Leben den hellen und befreienden Schein des Morgensterns Jesus, von dem weicht die Finsternis. – Wo ist dieses Kind Jesus, dieser Retter zu finden? In der dritten Strophe schickt uns Jochen Klepper los: „Macht euch zum Stalle auf!“ Dort ist dieses Kind zu finden!
3) Die Nacht ist schon im Schwinden, macht euch zum Stalle auf!
Ihr sollt das Heil dort finden, das aller Zeiten Lauf
von Anfang an verkündet, seit eure Schuld geschah.
Nun hat sich euch verbündet, den Gott selbst ausersah.
Als Jesus im Stall von Bethlehem geboren wurde, da ging in dieser Welt der Morgenstern auf. Seither gilt: So finster es in dieser Welt noch sein mag, so viele Kriege, Hass und Gewalt Menschen noch üben mögen, durch Jesus haben wir nun Gott als unseren Verbündeten in dieser Welt. Gott gibt uns nicht mehr an die Finsternis preis. Unsere Schuld ist uns von Gott vergeben, wir sind nicht mehr allein. Im Schein des Morgensterns Jesus wandern wir durch diese Welt dem Tag entgegen. Darum geht es in der vierten Strophe.
4) Noch manche Nacht wird fallen auf Menschenleid und -schuld.
Doch wandert nun mit allen der Stern der Gotteshuld.
Beglänzt von seinem Lichte, hält euch kein Dunkel mehr,
von Gottes Angesichte kam euch die Rettung her.
Wie können wir uns das vorstellen, dass eines Tages die Welt völlig von der Finsternis befreit sein wird? In der letzten Strophe spricht Jochen Klepper von Gottes Gericht. Durch sein Gericht wird Gott die Welt von aller Finsternis befreien, von allen bösen Taten der Menschen, Gott wird die Finsternis von der Erde verbannen. Dieses Gericht aber braucht der nicht zu fürchten, der sich auf Jesus verlässt, dass ihm durch Jesus alle Schuld vergeben ist. Jochen Klepper dichtet: „Wer hier dem Sohn vertraute, kommt dort aus dem Gericht.“
5) Gott will im Dunkel wohnen und hat es doch erhellt.
Als wollte er belohnen, so richtet er die Welt.
Der sich den Erdkreis baute, der lässt den Sünder nicht.
Wer hier dem Sohn vertraute, kommt dort aus dem Gericht.
Ich hoffe, dass dieses Lied Ihnen Kraft, Trost und Zuversicht gibt. Bitte geben Sie die Hoffnung, die in diesem Lied steckt, an andere weiter, insbesondere an solche Menschen, die in Finsternis, Einsamkeit, Schuld, Ungerechtigkeit, Krankheit usw. leben. Durch Ihre Zuwendung, durch Ihre Worte und Taten, lassen Sie es diese Menschen spüren, dass auch auf ihr Leben schon der Schein des Morgensterns Jesus fällt. Gibt es einen Menschen, der Ihnen in den Sinn kommt? Auf den Sie in dieser Adventszeit zugehen könnten? Dem Sie die tröstende Botschaft des Liedes von Jochen Klepper überbringen könnten: „Auch wer zur Nacht geweinet, der stimme froh mit ein. Der Morgenstern bescheinet auch deine Angst und Pein“?
Ich lade Sie zum Ende ein, das folgende Gebet zu sprechen: „Herr Jesus Christus, du bist ein kleines Kind geworden, ein Mensch wie wir. Du bist uns gleich geworden und hast alle unsere Not und Schuld auf dich genommen und hast sie uns abgenommen, aus der Finsternis hast du uns befreit, du hast uns in dein helles, tröstliches Licht gestellt. Hilf mir, dass ich mich ganz fest an dich halte, dass ich in deinem Licht bleibe und dein Licht an andere weitergebe, ganz besonders an diejenigen, die die Finsternis dieser Welt am stärksten umgibt. Herr Jesus Christus, du Morgenstern, in deinem Licht sehen wir das Licht, dein Licht gibt uns unbezwingbare Hoffnung, auch mir selbst. Ich danke Dir und ehre Dich! Amen.“
Pfarrer Tobias Brendel (Turin)
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