Rom, 23. Mai 2023 – Vom 29. April bis 6. Mai fand die Vollversammlung der Gemeinsamen internationalen Kommission für den theologischen Dialog zwischen dem Lutherischen Weltbund (LWB) und der Orthodoxen Kirche (unter der Leitung des Ökumenischen Patriarchen) statt.
Im Rahmen der vom LWB in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland veranstalteten Tagung wurden auch Kirchen besucht und andere Orte, die im Zusammenhang mit der Reformation von historischer Bedeutung sind. Historische Stätten, wo Martin Luther und Philipp Melanchthon gelebt, gearbeitet und gepredigt haben.
Schwerpunktthemen der Begegnungen waren u.a. das Wirken des Heiligen Geistes in der Schöpfung, in der Welt und in der Kirche sowie Umweltfragen. So stand die Vollversammlung unter der Überschrift „Der Heilige Geist, die Kirche und die Welt: Schöpfung, Menschheit und Erlösung“.
Die Teilnehmenden erarbeiteten eine gemeinsame Erklärung im Hinblick auf das Jahr 2025, in dem die christliche Welt das 1700. Jubiläum des Konzils von Nicäa feiern wird.
Dieses ökumenische Konzil im Jahr 325 n. Chr. war der erste Versuch von Kirchenleitenden gewesen, einen Konsens hinsichtlich der christlichen Lehre und der christlichen Glaubenspraktiken zu erzielen.
Prof. Dirk Lange, stellvertretender LWB-Generalsekretär für ökumenische Beziehungen, zeigte sich zufrieden mit dem Treffen:
„Die Gespräche waren konstruktiv und engagiert. Es war eine große Freude, zu sehen, mit wie viel Hingabe und aufrichtigem Streben nach Lösungen die Kommissionsmitglieder dabei waren.“
Als die zwei Co-Vorsitzenden der Tagung fungierten Seine Eminenz Kyrillos von Kirini und der lutherische Regionalbischof Johann Schneider.
Während des Treffens wurden Grußbotschaften des Ökumenischen Patriarchen Bartholomäus I. und der LWB-Generalsekretärin, Pfarrerin Dr. Anne Burghardt, übermittelt. Beide betonten die Fortschritte im seit inzwischen mehr als 40 Jahre andauernden lutherisch-orthodoxen Dialog. Außerdem wurde im Rahmen der Tagung in der Schlosskirche Wittenberg ein Wortgottesdienst und im Nauenburger Dom ein lutherischer Abendmahlsgottesdienst gefeiert.
Die Epiklese, die Anrufung des Heiligen Geistes oder Bitte um Herabsendung des Heiligen Geistes auf Brot und Wein und die versammelte Gemeinde während des eucharistischen Gebets, stand im Mittelpunkt vieler Diskussionen und hat im orthodoxen Liturgie- und Kirchenverständnis einen zentralen Stellenwert.
Martin Luther nahm sie in gewisser Form in seine deutsches Messe auf, wobei dies jedoch bis heute von geringer Bedeutung ist. In den letzten 100 Jahren hat die Epiklese in zahlreiche protestantische Gottesdienstordnungen wieder Einzug gehalten, insbesondere dank der liturgischen Erneuerung Mitte des 20. Jahrhunderts in Nordamerika und Schweden.
Die Teilnehmenden führten auch „lebhafte Diskussionen“ über die zentrale Frage der „filioque“-Klausel. Dabei untersuchten die Kommissionsmitglieder die „unterschiedlichen theologischen Bezugssysteme, die Folgen für die Liturgie und mögliche Konvergenzen“ und kamen überein, auf ihrer nächsten Sitzung einen „ausführlicheren Studienprozess hierzu mit pastoralen Auswirkungen“ zu verfolgen. Der LWB hat bereits empfohlen, den Filioque-Zusatz in ökumenischen Gottesdiensten wegzulassen. Die nächste vorbereitende Tagung der Kommission findet vom 6. bis 19. November in der estnischen Hauptstadt Tallinn statt und wird vom LWB ausgerichtet.
EPIKLESE: Anrufung Gottes für die eucharistische Transsubstantiation durch den Heiligen Geist und die Teilnahme der Kommunikanten an der heilbringenden Wirkung des Opfers in der Kommunion.
FILIOQUE: Der Ausdruck ist lateinisch und bedeutet „und durch den Sohn“. Er bezieht sich auf die Trinitätslehre, genauer gesagt auf die ewige Beziehung zwischen dem Sohn und dem Heiligen Geist. Die Aufnahme des Filioque in das Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel (325-381), das von der westlichen Kirche unterstützt und angenommen wurde, gilt seit jeher als eine der Hauptursachen für das Große Schisma (1054) mit der Ostkirche.