Musik überwindet Grenzen und reißt Mauern ein
8xMille: Die Gemeinde Sanremo finanziert frühkindlichen Musikunterricht in einem Frauenhaus
Sabrina ist zehn Jahre alt (Name v. d. Red. geändert). Sie lebt mit ihrer Mutter in einem Frauenhaus in Taggia/Ligurien mit dem ermutigenden Namen „Wunder des Lebens“ (Casa di Accoglienza Miracolo della Vita), geführt vom Lebenshilfe-Zentrum Sanremo (Centro di Aiuto alla Vita, CAV). Freitag ist für sie ein besonderer Tag. Und nicht nur für sie. Am Nachmittag hat sie eine halbe Stunde Musikunterricht bei Cristina. Neben Sabrina erhalten derzeit weitere sechs Kinder jeden Freitagnachmittag Musikunterricht. Die Evangelisch-Lutherische Gemeinde Sanremo unterstützt seit 2012 das Frauenhaus finanziell; das Musikprojekt kam 2019 dazu. Das Gesamtprojekt CAV ist die größte mit 8xMille Mitteln finanzierte Initiative der Gemeinde Sanremo.
Cristina Squarciafichi ist Musiklehrerin mit einer zusätzlichen Ausbildung in musikalischer Früherziehung. Sie hatsich in vielen Jahren eine auf Farben beruhende Methode des spielerischen Musikunterrichts erarbeitet. „Musik ist eine wunderbare universelle Sprache, die Mauern einreißt, (Kultur- und Sprach)Grenzen überwindet, die Herzen anspricht und alle Menschen vereint“, sagt sie. Ihr geht es vor allem darum, den Kindern die Welt der Musik zu eröffnen und das Interesse dafür zu wecken. Einige möchten vertiefen, andere hingegen haben zumindest einen Zugang; und wer weiß, eines Tages, können sie darauf aufbauen.
Vor der Pandemie wurde der Unterricht in zwei Gruppen abgehalten, für insgesamt zwölf Kinder. Aufgrund der Bestimmungen zur sozialen Distanzierung musste auf Einzelunterricht umgestiegen werden. Je nach Alter und Talent sind es nun 15 bis 20 Minuten pro Kind. Die zehnjährige Sabrina übt sehr fleißig und zeigt besonderes Interesse am Klavier; sie erhält dreißig Minuten Unterricht.
Die Noten werden mithilfe von Farben vermittelt, sowohl auf den Notenblättern als auch auf dem Klavier. Die Kinder üben am Instrument und mit der Stimme und werden ermuntert, auch den Müttern und den anderen Kindern vorzusingen und vorzuspielen. Geplant ist ein Vorspiel in der Evangelisch-Lutherischen Kirche von Sanremo. Das Instrument im gemeinsamen Wohnraum des Frauenhauses steht den Kindern auch während der Woche zur Verfügung.
Während des Lockdowns war der Musikunterricht die einzige Freizeit-Aktivität, die weitgehend ohne Unterbrechungen weitergeführt werden konnte. Für die Kinder, die in ihrem Leben bereits alles andere als kindgerechte Erfahrungen leben mussten und die durch die Pandemie auf alle spielerischen und sportlichen Tätigkeiten sowie für lange Zeit auch auf die Schule und den Kindergarten in Präsenz haben verzichten müssen, ein wertvolles Geschenk, so die Präsidentin des Lebenshilfe-Zentrums von Sanremo, Centro di Aiuto alla Vita, Sara Tonegutti.
Die Evangelisch-Lutherische Gemeinde Sanremo hat seit 2012 Kontakt zum Frauenhaus „Miracolo della Vita“. Die Idee zum Musikprojekt entstand 2018, als einige Gemeindeglieder das Zentrum besuchten. Es bietet insgesamt zwanzig Bewohnern Platz: Müttern mit Kindern, die Schutz vor häuslicher Gewalt benötigen, bzw. alleinstehenden Mütter, die mit der Mutterrolle überfordert sind, Schwangere, die vorübergehend Unterstützung brauchen und einen Platz, um ihr Baby auf die Welt zu bringen sowie Minderjährige, die Opfer von Misshandlungen bzw. extremer sozialer Umstände sind.
Die Idee, das Frauenhaus mit dieser ebenso kulturellen wie sozialen Initiative zu unterstützen, kam aus der Überzeugung heraus, dass Anerkennung und Einbindung in ein „normales“ soziales Leben wichtige Faktoren sind, auf dem für diese Kinder so schwierigen Weg ins Erwachsenenleben. Cristina Squarciafichi hielt bereits seit einigen Jahren Unterrichtsstunden in den Räumlichkeiten der Gemeinde ab und konnte sofort für diese Idee gewonnen werden. Und nicht zuletzt stellt Musik auch eine Verbindung zum lutherischen Glaubensleben dar. „Die Musik ist eine Gabe und ein Geschenk Gottes; sie vertreibt den Teufel und macht die Menschen fröhlich“, war eine Grundüberzeugung von Martin Luther, der Musik als tragendes Element von Glauben und Gottesdienst erschloss.
nd
01.06.2021