Rom, 12. Oktober 2022 – Im Hinblick auf die kommenden ELKI-Tage (14.-16. Oktober) haben wir Gisela Matthiae, Theologin und Clownskünstlerin, interviewt. Sie wird den Workshop “Jedes Problem ist ein wunderbarer Grund zum Lachen – Humor im täglichen Leben” anbieten.
Geboren in Geislingen an der Steige, zog sie nach dem Abitur nach Tübingen: Dort und später in Rom und Hamburg studierte sie evangelische Theologie, in Berkeley widmete sie sich besonders der Feministischen Theologie und knüpfte erste Kontakte mit Kirchenclownerie (clowning ministry).
Sie war Pfarrerin in Stuttgart, später Studienassistentin an der Evangelischen Akademie in Bad Boll. Seit 1998 ist sie Mitarbeiterin des Zentrums für Frauenforschung und Frauenbildung der EKD. Von Mai 2013 bis Juli 2014 war sie in der (geteilten) Leitung des Evangelischen Frauenbegegnungszentrums in Frankfurt am Main tätig.
Was heißt es für Sie Theologin und Clownin zu sein?
Es ist für mich eine wunderbare Art, selbständig berufstätig zu sein. Mit eigenen Bühnenstücken, als Leiterin von Ausbildungen für das Clowntheater in der Kirche und für die Begegnungsclownerie im Alten- und Pflegeheim. Ich forsche und schreibe viel über Komik und Theologie, Bibel und Humor. Außerdem gebe ich als Humorcoach Seminare für unterschiedliche Berufsgruppen. Meine Veröffentlichungen finden sich im Netz und in Büchern und Zeitschriften.
Wie verbinden Sie Theologie und Humor?
Humor ist eine Haltung, die sich dann bewährt, wenn es nichts zu lachen gibt. Mit Humor stellt man sich den Schwierigkeiten und mitunter auch Ausweglosigkeiten des Lebens auf eine witzige, heitere Weise. Man überlässt den Tragödien nicht das letzte Wort. Das macht die Hoffnung und den Optimismus des Humors aus. Ich finde, in jedem dieser Sätze kann man die Theologie heraushören. Denn auch der Glaube stellt sich den Problemen, weiß um die Verletzlichkeit und um das Scheitern. So wie ein humorvolles Lachen niemals ein spöttisches Auslachen ist, ist auch der christliche Glaube von Liebe und von Vertrauen geprägt.
Das ist die innere Verbindung meiner Arbeit, die sich in allem zeigt, was ich mache.
Im Gottesdienst und bei kirchlichen Veranstaltungen wird normalerweise nicht so oft und laut gelacht – nehmen wir uns zu ernst?
O ja, wir nehmen uns zu ernst! Wir sind damit aber nicht alleine. Ob nun innerhalb oder jenseits der Kirchen, die meisten Menschen nehmen sich und ihre Überzeugungen zu ernst. Da kann sowohl der Humor als auch der Glaube helfen. Denn beide wissen, wie sehr wir uns immer wieder irren, wie wichtig das gegenseitige Zuhören ist, wie wichtig der Dialog und die Fähigkeit, neu zu lernen und zu analysieren, ist. Anders gesagt: wie wichtig es ist, sich immer mal wieder an der eigenen (roten) Nase zu packen! Besonders, aber eben nicht nur, in Glaubensdingen gibt es viel Fanatismus und Fundamentalismus. Humor ist nicht das Gegenteil von Ernst, sondern das Gegenteil von allem, was nicht selbstkritisch und relativierend ist. Also braucht der Glaube den Humor mitunter sehr dringend.
Was lässt Sie richtig laut auflachen?
Alles Komische, das mir im Alltag begegnet, und davon gibt es sehr viel. 15 Straßenschilder an einer einsamen Kreuzung mitten im Gebirge zum Beispiel. Oder übertriebene Vorschriften. Ich glaube, in manchen Ländern darf man sich nicht in der Öffentlichkeit küssen. Auch strenge Menschen können sehr komisch sein, leider eher unfreiwillig. Komisches stellt immer wieder unsere Sehgewohnheiten in Frage. Viele ärgern sich darüber, ich meine, wir sollten besser darüber lachen. Hoffentlich gelingt es dann auch, etwas daran zu verändern.
Was zeichnet Ihrer Meinung nach guten Humor aus?
Lachen über sich selbst, lachen mit anderen und nicht über sie. Witzige, spritzige Einfälle in schwierigen Situationen. Wenn so etwas gelingt und alle miteinander lachen, kommen meist die besten Gespräche zustande, ohne dass jemand das Gesicht verlieren muss. Guter Humor ist freundlich angesichts von Fehlern, hoffnungsvoll, wenn alle anderen schon verzweifeln, und vergnügt, weil er voller Lebensfreude und Neugier bleibt.
Auf was können sich die Teilnehmenden bei Ihrem Workshop freuen?
Auf Überraschungen! Mit Humor kann es gelingen, Situationen zu verwandeln, auch ein bisschen sich selbst. Das tut gut und schafft Entspannung. Aber es weitet auch den Blick und die Zuversicht: “Wieso denn nicht, es könnte doch möglich sein …!”
Wir bewegen uns, spielen, improvisieren – alles auf leichte und einfache Art und Weise.
Glaube und Humor bauen auf etwas Unsichtbarem – auf dem scheinbar Unmöglichen. Warum?
Genau. Beide trägt die Einstellung, dass eine bessere Welt und bessere Menschen möglich wären. Schon Paulus bezeichnet sich selbst und uns daher als “Narren in Christo!” Andere sagen heute, das sei blauäugig oder naiv. So ist es! Und trotzdem ein wunderbare, ich meine die beste, Art, dem Tragischen zu begegnen.
In Zeiten des Krieges suchen Christ:innen Antworten und Trost im Glauben. Kann uns Humor im Glauben stärken?
Ja, und dafür kann es gut tun, auf die Menschen selbst zu schauen, auf ihren politischen Widerstand, auf ihre teilweise auch witzigen Aktionen. Ich erinnere mich an ein Plakat, das ein Mann in Russland hoch hielt. Es war absolut blank, leer und weiß. Trotzdem war die Botschaft zu Beginn des Krieges eindeutig. Mit Humor versucht man, Subjekt zu bleiben, sich die eigene Deutungsmacht nicht nehmen zu lassen. Unsere Aufgabe sehe ich darin, diese Menschen zu unterstützen und die Hoffnung nicht zu verlieren. Es passieren so viele schöne Dinge mitten im Elend. Die Frage ist immer auch, wohin wir unsere Blicke richten. Es wäre doch zu deprimierend, angesichts der Krieges zynisch zu werden. Das würde den Aggressoren auch zu viel Macht geben, meine ich.