Die Evangelisch-Lutherische Gemeinde in Bozen
Gemeinsam für Bedürftige in Südtirol: Schutzhütte – Gleis 1 – Winterhaus – Dorea
Ein kleiner Verein mit wenigen Mitgliedern und viele freiwillige Helfer aus der Zivilgesellschaft. Die”Schutzhütte – Binario 1” in Bozen wurde 2015 gegründet, als die Stadt Bozen, das Tor zu den Dolomiten, von einem Augenblick auf den anderen zu einem Zentrum des Flüchtlingsdramas wurde. Hunderte von Flüchtlingen, die in Italien gelandet sind und den Stiefel durchquert hatten, hofften von dort in den Norden Europas weiterreisen zu können. Die meisten von ihnen wurden an der österreichischen Grenze am Brenner aus den Zügen geholt und gen Süden zurückgeschickt. Vorläufige Endstation war das Gleis 1 am Bozner Bahnhof.
Caroline von Hohenbühel, ehemalige Vizepräsidentin der Synode und ELKI-Schatzmeisterin und mittlerweile Kuratorin der Evangelisch-Lutherischen Gemeinde Bozen, war eine von neun Frauen, die im November 2017 den Verein Schutzhütte gründete und sie ist bis heute die treibende und unermüdliche Kraft hinter den vielfältigen Aktionen des Vereins zugunsten von Flüchtlingen. Nach dem Notstand am Bahnhof, galt es Unterkünfte, medizinische und auch rechtliche Unterstützung für die Flüchtlinge zu organisieren.
RIFUGIO – BINARIO 1
Stationen der Arbeit der “Vereinigung Schutzhütte” waren zunächst ein Haus für Flüchtlinge, die nicht in die öffentlichen Aufnahmeprogramme fielen, bzw. besonders schutzbedürftige Kategorien wie Schwangere, Frauen mit kleinen Kindern, Behinderte, Opfer von Menschenhandel, sexueller Gewalt und Folter, Opfer von Genitalverstümmelungen. Für 14 Monate konnte der Verein seine Schützlinge in einem Gebäude im Zentrum der Südtiroler Hauptstadt unterbringen. 128 Personen für insgesamt 3587 Nächte. Viele Hilfesuchende fanden auch in der evangelischen-lutherischen Gemeinde Zuflucht, die von Anfang an die “Schutzhütte” maßgeblich unterstützte.
WINTERHAUS, WINTERBUCH und TAGESSTÄTTE
Danach kam im Winter 2019/ 20 das Winterhaus. Rund hundert Freiwillige aus der Südtiroler Gesellschaftgarantierten zusammen mit der Schutzhütte und anderen christlichen und Laien-Vereinigungen auch während der Zeit des ersten Lockdowns Unterkunft und Verpflegung für Flüchtlinge und Obdachlose. Aus dem Winterhaus ist das Winterbuch entstanden. Einundzwanzig Geschichten über ein warmes Haus im kalten Bozner Winter mit dreiundfünfzig Betten für obdachlose Frauen, Kinder und Männer, über 93 Freiwillige und ihren Mut zur Eigenregie. Siebentausend Nächtigungen in fünf Monaten. Der Erlös aus dem Verkauf des Buches ist in das Nachfolgeprojekt Dorea geflossen.
DOREA
Das jüngste „Kind“ dieses Hybrids aus Sozial-Verein und Freiwilligen, nennt sich “Dorea”. Ein Projekt zugunsten obdachloser Frauen bzw. Frauen die Opfer von Gewalt sind. In Blumau, wenige Kilometer nördlich von Bozen, steht ein ganzes Haus für das Projekt Dorea und Familien in Wohnungsnot zur Verfügung. Der erste Stock ist Frauen vorbehalten, die Betreuung brauchen, in den beiden oberen Stockwerken ist Platz für vier Familien, die Arbeit aber keine Wohnung haben. Am 14. Mai konnte von Caroline von Hohenbühel einen Mietvertrag für zwei nebeneinanderliegende Wohnungen in einem Haus des Südtiroler Wohnbauinstituts in Bozen unterschreiben. Ein weiteres Gebäude sollte in Kürze zur Verfügung gestellt werden.
Ein Problem, das die Schutzhütte nicht müde wird anzuprangern: Es stünde in der Stadt genug Platz für Obdachlosen-Unterkünfte zur Verfügung, vor allem in der Industriezone, in der viele Industriebauten leer stehen. Aber nicht alles wird genutzt. Eines der Ziele der Schutzhütte war von Anfang an, der öffentlichen Hand zu zeigen, dass Hilfe sehr wohl möglich ist; auch ohne den Einsatz großer Geldmittel. Und dass das Flüchtlings- und Obdachlosendrama nicht einfach mathematisch und unflexibel nach bürokratischen Regeln bewältigt werden kann. Zu viele Menschen bleiben dabei auf der Strecke und auf der Straße. Oft, so Caroline von Hohenbühel, werde zudem von politischer Seite bewusst mit falschen Zahlen gearbeitet, um die Bevölkerung zu schrecken und zusätzlichen Argwohn gegen Fremde und auch jene, die ihnen helfen, zu wecken.
Die Tätigkeit der “Schutzhütte” wird mit Geldern aus dem mit 8xMille Steuerfonds der Evangelischen-Lutherischen Gemeinde Bozen und der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Italien sowie vonseiten der Evangelischen Kirche Deutschlands gefördert. (nd)