• Der Mensch als Geschöpf Gottes ist wesentlich ein Sein in Beziehung. Er lebt in Beziehung zu sich selbst, zu den Mitmenschen, zu seiner natürlichen Umwelt und zu Gott. Ihn in erster Linie als autonomes Wesen zu definieren, erfasst daher nur eine Seite seines Seins und greift als Gesamtbeschreibung des Menschen zu kurz. Der Mensch ist immer und in allen seinen Lebensphasen auch ein angewiesenes, bedürftiges und abhängiges Wesen.
    Dass Gott sich seiner annimmt und seiner gedenkt (Ps 8,5), ist seine Grundbestimmung.  Von Gott her ist er unwiderruflich und bedingungslos bejaht, auch dann, wenn die Anerkennung und Bejahung durch andere Menschen widerrufen wird (wie es im Akt der Tötung geschieht).
  • Weil Gott die Beziehung zum Menschen herstellt, ist auch sein Personsein von Gott her zu verstehen. Nicht ich mache mich zu der Person, die ich bin. Mein Personsein ist dann aber auch nicht zerstörbar, wenn bestimmte Kriterien wegfallen. Der Personbegriff aus der angelsächsischen Tradition – der Mensch als rationales, selbstbewusstes Wesen, das “Ich” sagen kann, Vergangenheit und Zukunft, Wünsche und Ängste hat – ist theologisch gesehen defizitär.
  • Eine Diskussion um den Wert eines Menschenlebens kann und darf es daher nicht geben. Der Mensch hat (so  Kant) keinen Wert – diesen haben nur Sachen -, sondern er hat Würde. Diese gilt unbedingt und wird nicht durch eigenes Handeln konstituiert. Dies meinen wir, wenn wir vom Primat der Gnade vor allem Handeln sprechen. Die aktive Euthanasie und die Beihilfe zum Suizid sind nicht Ausdruck der Freiheit des Individuums, sondern im Gegenteil Vernichtung dieser Freiheit, indem sie das Subjekt der Freiheit selbst vernichten (Kant).
  • Zum Wesen des Menschen gehört auch, dass er leidensfähig ist. Das bedeutet nicht, dass ihm vermeidbares Leiden zugefügt werden darf. Im Gegenteil: abwendbares Leiden muss abgewendet werden. Nicht alles Leiden ist jedoch vermeidbar. Die Illusion einer „Abschaffung“ des Leidens zerstört die menschliche Fähigkeit, leidensfähig und damit auch liebes- und beziehungsfähig zu werden. Als Christen haben wir keine Erklärung, keine Sinngebung und keine Rechtfertigung für das Leiden. Zum einen kämpfen wir wie Jesus gegen das menschliche Elend, zum anderen aber leben wir in der „Gemeinschaft der Leiden Christi“ (Phil 3,10) und sind so „Teilhaber der Leiden“ (2 Kor 1,7) mit der Verheißung, auch Teilhaber des Trostes zu sein.
  • Das Bild des gekreuzigten Christus zeigt uns, dass kein Leiden und keine Entstellung dessen, was uns ein wünschenswertes Leben zu sein scheint, die menschliche Würde vernichtet. Der Gekreuzigte steht gerade für deren Unantastbarkeit.