Vor ein paar Wochen in einem von Roms Außenbezirken. Mit ein paar Studierenden haben wir uns in die Peripherie aufgemacht, dorthin, wo außer ein paar Wohnblocks auf der grünen Wiese wenig ist, was die Bewohnerin zentraler gelegener Stadtviertel locken könnte, geschweige denn den durchschnittlichen Städtereisenden. Unser Ziel ist die Kirche Dio Padre Misericordioso, ein verstecktes Juwel moderner Kirchenarchitektur dort am Rande einer an spektakulären Kirchenbauten wahrlich nicht armen Stadt. Unter Papst Johannes Paul II. mit Blick auf das Heilige Jahr 2000 ersonnen, verheißt das Gebäude in seiner reduzierten und doch symbolträchtigen Formensprache Großes: In Gestalt eines Segelschiffes symbolisiert es das Schiff der Weltkirche, das ins 3. Jahrtausend2Innenraum Dio P. Misericordioso privat_VBhinübergleitet, und zugleich das wesentlich kleinere Schiff der Ortskirche in der römischen Peripherie, das die Wasser der ansonsten so oft vernachlässigten und vergessenen Vorstadt befährt. Ein Kirchenschiff als visionäres Hoffnungszeichen. Die durchdachte Gesamtkonzeption beeindruckt, ebenso wie der lichte Kircheninnenraum aus weißem Zement, hellem Travertin, Holz und Glas.

Bei näherem Hinsehen jedoch bleibt das Auge hier und da hängen: An der längst grau gewordenen Außenwand der Kirche, an der einen oder anderen renovierungsbedürftigen Stelle im Innenraum, dem eher abweisend wirkenden Zaun, der das gesamte Kirchengebäude umgibt. Der geräumige Vorplatz hätte ein sozialer Treffpunkt werden können, wohl der einzige inmitten trister Häuserzeilen, doch die wenigen Bänke sind leer geblieben.

Der Gesamteindruck lässt mich staunend, aber auch nachdenklich zurück: Hätte dieses Quartier etwas anderes gebraucht als ein solches Prestigeprojekt? Wie denken die BewohnerInnen des Viertels wohl darüber?

Ein Bibelwort kommt mir in den Sinn: „Suchet der Stadt Bestes […] und betet für sie zum Herrn“ (Jer 29,7).

Was ist das jeweils Beste für die Stadt und die Welt, in die wir als Kirche gesandt sind? Was benötigen die Menschen in meiner Umgebung besonders dringend?

Finden wir es immer wieder neu heraus, auf echter Augenhöhe und gemeinsam mit unseren Mitmenschen in unserer Stadt, in unserem Viertel – und beten wir zu Gott für diejenigen, die uns als Kirche und als Einzelnen anvertraut sind!

Rom, 30.04.2022

Text und Fotos: Pfarrerin Dr. des. Vanessa Bayha, 
Studienleiterin des Melanchthon Zentrums Rom

Share.