Liebe Leserin, lieber Leser,
wann haben Sie zuletzt den Kopf in den Nacken gelegt und abseits der Lichter unserer Städte und Dörfer in den nächtlichen Himmel hinaufgeschaut, in einer klaren Nacht die zahllos ins Dunkel getupften Sterne bewundert und dabei fachmännisch Sternbilder wie den Großen Wagen oder den Kleinen Bären ausgemacht?
Womöglich sind Sie dabei wie ein Kind ins Staunen geraten über die unendliche Weite des Sternenhimmels und die Phänomene, die sich jenseits der uns bekannten Welt im Universum abspielen. Ein solches kindliches Staunen und eine solche Faszination haben mich jedenfalls im vergangenen Sommer erfüllt, als ich in einer der Sternschnuppennächte ein eindrucksvolles Himmelsschauspiel beobachten konnte.
Seit jeher hat der Blick in den Sternenhimmel Menschen staunend und ehrfürchtig verharren lassen, hat sie dazu gebracht, sich in Beziehung zu setzen zu einer Realität, die größer ist als sie selbst und ihre begrenzte Vorstellungskraft.
So glaubten die Menschen des Alten Orients, in den Gestirnen Gottheiten zu erkennen, wohingegen das Alte Testament den Gott Israels als den alleinigen Schöpfer aller Himmelskörper bekennt. Von der Größe dieses Schöpfergottes lesen wir auch im Bibelwort, das dem anbrechenden Monat November als Motto überstellt ist: „Er allein breitet den Himmel aus und geht auf den Wogen des Meers. Er macht den Großen Wagen am Himmel und den Orion und das Siebengestirn und die Sterne des Südens.“ (Hiob 9,8-9)
Gegenüber der Majestät dieses Gottes und der Größe und Strahlkraft seiner Schöpfung muss alles andere blass und nichtig erscheinen. Entsprechend wendet sich der Beter eines Psalms beim Blick in den Nachthimmel fragend an Gott: „Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?“ (Psalm 8,5). Was bin ich kleiner Mensch mit meinen kläglichen Bemühungen, Sorgen oder auch Freuden im Vergleich zu dieser unerschöpflichen Weite? Wohl nicht viel mehr als ein Sandkorn im Universum.
Doch Gott sei Dank ist diese Erkenntnis nur die eine Seite der Medaille. Derselbe unendlich große und ungreifbare Gott, der alle Himmelskörper erschaffen hat, ist zugleich der Schöpfer eines jeden einzelnen Menschenkindes. Als Geschöpf Gottes bleibt der Mensch nicht klein und unbedeutend. „Du hast ihn wenig niedriger gemacht als Gott, mit Ehre und Herrlichkeit hast du ihn gekrönt“, lautet diese Erkenntnis in den Worten des Psalmbeters (Psalm 8,6).
Ein bekanntes Kinderlied bringt diese tiefe Wahrheit in einfachen Worten ebenso zum Ausdruck: „Weißt du, wieviel Sternlein stehen an dem blauen Himmelszelt? […] Gott der Herr hat sie gezählet, dass ihm auch nicht eines fehlet an der ganzen großen Zahl.“ Und auch hier schließt sich die Pointe unmittelbar an: Genau dieser Gott, der den Sternenhimmel gemacht hat, ist zugleich ein persönlicher Gott, derselbe, von dem es am Ende des Liedes heißt: Er „kennt auch dich und hat dich lieb, kennt auch dich und hat dich lieb.“
Ihre Pfarrerin Vanessa Bayha, Centro Melantone Rom