Kein Mensch fühlt sich gerne ohnmächtig. Aber manchmal geraten wir in Situationen, wo nichts mehr vor und zurück geht. Nach jahrhunderte langer Ausbeutung als Sklaven in Ägypten waren die Israeliten endlich frei. Unter der Führung von Mose hatte Gott sie aus dem Land ihrer Peiniger herausgeführt. Doch nun saßen sie in der Falle: Vor ihnen lag das Schilfmeer, und von hinten näherten sich die Truppen des ägyptischen Heeres, die der Pharao losgeschickt hatte, um die billigen Arbeitskräfte wieder einzufangen. Sie hatten die Wahl zwischen Pest und Cholera: Sofortiger Tod durch Ertrinken oder durch Erschlagenwerden oder schleichender Tod durch Rückkehr in die Sklaverei. In diese Situation hinein sagt Mose:
„Fürchtet euch nicht!
Bleibt stehen und schaut zu,
wie der Herr euch heute rettet!“
Ex 14,13
Drei kurze Ansagen an alle Ohnmächtigen finde ich in diesem Bibelwort:
1. „Fürchtet euch nicht!“ Ja, es gibt Situationen, die sind nach menschlichem Ermessen ausweglos. Aber Angst ist ein schlechter Berater. Wir haben es mit einem Gott zu tun, der größer ist als alles, was uns Angst machen will.
2. „Bleibt stehen!“ Will heißen: Lauft nicht panikartig drauf los, ohne zu wissen, wohin, nur um der Ohnmacht das zweifelhafte Gefühl entgegenzusetzen, irgendetwas zu tun um sich bloß nicht eingestehen zu müssen, dass man gerade nichts tun kann. Bleibt stehen und lauft nicht in die Katastrophe!
3. „Schaut zu, wie der Herr euch heute rettet!“ Gesteht Euch ein, dass Ihr auf Hilfe angewiesen seid, dass Ihr selbst nichts tun könnt. Totale Passivität. Das mögen wir nicht. Aber manchmal ist sie real. Und das sind die Momente, in denen Gott uns nah kommt. In denen wir erfahren, dass Er auch da weiter weiß, wo wir nicht mehr nur mit unserem Latein am Ende sondern nach menschlichem Ermessen komplett erledigt sind.
„Fürchte dich nicht!“ ruft Er uns zu. Dieser Satz wurde auch einer jungen Frau namens Maria zugesprochen, als Gott ihr mitteilen ließ, dass sie Seinen Sohn zur Welt bringen sollte. „Fürchtet euch nicht!“ Das durften auch die Frauen hören, die frühmorgens zu Seinem Grab kamen und feststellten, dass der Stein weggewälzt und der Leichnam verschwunden war. „Er ist nicht hier; er ist auferstanden!“ hatte der Engel hinzugefügt.
Die Israeliten kamen damals trockenen Fußes durch das Schilfmeer. Als die Verfolger zum Aufholen ansetzten, kam das Wasser zurück. „Schaut zu, wie der Herr euch heute rettet!“ hat Mose gesagt. Ich weiß nicht, welche Ohnmachtserfahrungen Ihnen zu schaffen machen. Aber ich wünsche Ihnen, dass Gottes Ansage zu Ihnen durchdringt: „Fürchtet euch nicht! Bleibt stehen und schaut zu, wie der Herr euch heute rettet!“ Gott ist ein Gott gegen die Angst, der die Sackgassenschilder wegräumt, der Machtverhältnisse umkehrt, der Menschen befreit, der den Tod überwindet. Das ist das Ende aller Ohnmacht.
Pfarrer Timm Harder, Evangelische Gemeinde A.B. Meran
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